Pränatale Medizin – Segen oder Fluch

„Die Wartezeit war schrecklich. Immer wieder habe ich mich gefragt, wie unser Leben weitergehen soll, wenn das Kind behindert wäre. Dass ich es nicht abtreiben lassen würde, war mir klar. Aber wie würde mein Mann reagieren? Er hatte doch auf der Untersuchung bestanden."

Für die 37jährige, die das dritte Kind erwartete, löste sich das Dilemma auf. Die pränatale Diagnostik ergab, dass ihr Junge nicht das gefürchtete Down-Syndrom, gemeinhin als Mongoloismus bekannt, hatte.

Hart hat es dagegen eine 34jährige Schwangere getroffen. Bei ihr ergab die Untersuchung, dass das Ungeborene behindert war. Sie habe kaum ein ermunterndes Wort gehört, trotzdem die Schwangerschaft fortzusetzen, erinnert sie sich, und habe dem Druck nachgegeben. Heute, nach nahezu acht Jahren, „lastet diese Erfahrung noch immer auf mir".
Pränatale Medizin - Segen oder Teufelswerk? Dem Thema ist nicht mit Schwarzweißmalerei gedient. Der wissenschaftliche Fortschritt bietet die Chance, Leben zu retten. Er hat aber auch tödliche Konsequenz. Die Medizin wandelt hier auf schmalem Grat, und allzu viele folgen ihr ohne Wissen um die Konflikte, in die sie gestürzt werden können, oder - schlimmer noch - ohne jegliche Sensibilität für die weit reichenden Entscheidungen, die pränatale Diagnostik bewirken kann.

Risikoschwangerschaften

Routinemäßig werden heute Ultraschalluntersuchungen bei der Schwangerschaftsvorsorge vorgenommen. Bei Frauen über 35 Jahren gehören aber auch die Methoden der invasiven pränatalen Diagnostik beinahe schon zur Standarduntersuchung, also die Amniozentese und die Chorionzottenbiopsie, durch die eine Reihe konkreter Fehlentwicklungen des Kindes festgestellt werden können. In einem Bericht des früheren Bundestagsausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung heißt es, 1982 hätten 28,6 Prozent aller Schwangeren über 35 die pränatale Diagnostik in Anspruch genommen, 1988 seien es bereits 53 Prozent gewesen. Humangenetiker schätzen, dass aktuell über 80 Prozent dieser Altersgruppe die angebotenen Tests in Anspruch nehmen. Dabei lassen sich so genannte Risikoschwangerschaften keinesfalls genau mit dem 35. Lebensjahr der Frau definieren. Die Tatsache, dass gegenwärtig von diesem Alter an eine pränatale Diagnostik als indiziert angesehen wird, leitet sich weniger aus medizinischen Gründen ab, sondern eher aus praktischen, wie den Laborkapazitäten, heißt es in dem Ausschussbericht. In der Vergangenheit sei das mütterliche Indikationsalter in dem Maße gesunken, in dem unter anderem die Laborkapazität zunahm. Fachleute gehen auch davon aus, dass mit den fortschreitenden Kapazitäten der pränatalen Diagnostik - sowohl qualitativer wie quantitativer Art - zunehmend jüngere Frauen human- genetische Beratung in Anspruch nehmen werden.

Motive

Warum? Die Begründungen von Frauen, die sich bewusst an die humangenetische Beratungsstelle der Universität Münster gewandt haben, sprechen für sich: „Für mich stand fest, dass ich alles Mögliche tue, um ein gesundes Baby zu bekommen. Dazu gehört auch die Fruchtwasseruntersuchung", sagte eine 36 Jahre alte Frau, die aufgrund ihres Alters eine Untersuchung wünschte. „Da wir bereits ein behindertes Kind mit Down-Syndrom und zusätzlicher Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und Herzfehler haben, glaube ich, dass es eine andere Situation ist, sich für ein zweites behindertes Kind zu entscheiden oder nicht. Ich jedenfalls hätte keine Kraft mehr für ein zweites behindertes Kind. Was aber nicht heißt, dass wir unser Kind nicht lieben, oder dass man uns nur Steine in den Weg gelegt hat. Nur bin ich froh, dass die bereits vergangenen fünf Jahre mit dem Kind hinter uns liegen", erklärte eine Frau, bei der erste Untersuchungen ergeben hatten, ihr zweites Kind könne an Trisomie 21 leiden. Es gibt auch Frauen, die sich Klarheit verschaffen wollen, um auf ein behindertes Kind vorbereitet zu sein: „Ich würde keinen Abbruch machen lassen", gibt eine 29jährige zu Protokoll, bei der ein Bluttest auf eine Behinderung des Kindes hingedeutet hat. „Ich möchte mich aber vorher darauf einstellen - zu Selbsthilfegruppen gehen und so." Natürlich kommt es darüber hinaus auch vor, dass Frauen regelrecht geschickt werden: „Warum ich eigentlich hier bin, weiß ich auch nicht. Zur Beruhigung, hat die Frauenärztin gesagt", nannte eine 35jährige als Begründung.

Frank Louwen, Leiter des Bereichs Pränatale Medizin an der Universitäts-Frauenklinik in Münster, betont: „Ziel der vorgeburtlichen Diagnostik und Therapie ist die Behandlung, nicht die Tötung." Als Beleg für seine These führt er an, an seinem Institut würden jährlich rund 2000 Eingriffe diagnostischer und therapeutischer Art vorgenommen. Hinzu kämen rund 6000 spezielle Ultraschalluntersuchungen, bei denen ungefähr 800 fetale Fehlbildungen entdeckt würden. Der bundesweite Trend spreche dafür, dass durch die pränatale Medizin Leben gerettet und nicht gefährdet werde. Es gebe eine Vielzahl von Fällen, bei denen konkret geholfen werden könne, sagt der Spezialist. Als Beispiel nennt er die Ringelrötelinfektion der Mutter, Zwerchfell- und Bauchwand- defekte, bei denen durch Behandlung im Mutterleib oder spezielle Geburtsvorgänge und sofortige postnatale Therapie Leben gerettet beziehungsweise Fehlbildungen gemindert werden könnten.

Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, dass die durch pränatale Diagnostik gewonnenen Erkenntnisse auch zu einer Aussonderung behinderter Kinder führen. Im Rahmen einer Untersuchung der Münsteraner Soziologen Nippert und Horst gaben fast 74 Prozent der Befragten an, sie stimmten folgender Meinungsäußerung zu: „Der Vorteil der vorgeburtlichen Untersuchung liegt darin, dass Frauen heute entscheiden können, ob sie ein Kind mit einer vorgeburtlich feststellbaren Erkrankung oder Behinderung bekommen wollen oder nicht." Fast 40 Prozent gaben an, sie hätten sich zu einer vorgeburtlichen Untersuchung entschieden, „weil ich es nicht für verantwortlich halte, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen". Nahezu 50 Prozent erklärten, sie seien zu dem Schritt bereit gewesen, „weil für mich die Vorstellung, ein ganzes Leben lang für ein krankes beziehungsweise behindertes Kind sorgen zu müssen, schwer erträglich ist".

Drohendes Übergewicht – Grund für eine Abtreibung

Wenn es um die konkrete Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung geht, wird gemeinhin die Schwere einer Fehlbildung zum Kriterium. Sowohl Schwangere als auch Humangenetiker gaben zu Protokoll, dass sie an erster Stelle die Anenzephalie, also das Fehlen des Gehirns eines Ungeborenen, als Grund für einen Schwangerschaftsabbruch sehen. Dann folgen die schwere Spina bifida, also der „offene Rücken", die Muskeldystrophie und die Huntington Krankheit, gemeinhin als Veitstanz bekannt. Erst an fünfter Stelle wird das Down-Syndrom genannt.
Doch bleibt es nicht dabei. Es gibt offenbar auch die Bereitschaft, bestimmten (zweifelhaften) gesellschaftlichen „Wertvorstellungen" mittels der pränatalen Diagnostik zu entsprechen. Nippert und Horst reicherten ihre Befragung mit einer Testfrage nach einer fiktiven genetischen Störung an: Sie wollten von den Befragten wissen, ob diese sich auch für eine Abtreibung entscheiden würden, wenn ihr Kind aufgrund eines genetischen Fehlers zu Übergewicht neigen würde. 18,9 Prozent der befragten Frauen gaben an, bei einem solchen Befund die Schwangerschaft abbrechen zu wollen. 36 Prozent erklärten, sie persönlich würden dies wohl nicht tun. Falls Frauen in einem solchen Fall den Wunsch dazu äußerten, sollte es aber möglich sein. Die Soziologen errechnen daraus eine Mehrheit von 54,9 Prozent, die Übergewicht als „akzeptablen Grund für eine Abtreibung" werte.

Anspruch auf das gesunde Kind?

Damit ist ein Kernproblem dieses medizinischen Arbeitsfeldes beschrieben: Die pränatale Diagnostik weckt den Anspruch auf das gesunde Kind. Darüber hinaus entfesselt sie weitergehende Begehrlichkeiten nach dem scheinbar perfekten Menschen. „Das ist das Ende der Unschuld bei der menschlichen Fortpflanzung", sagt der Tübinger Ethik-Professor Dietmar Mieth. „Die Grenze zwischen dem urmenschlichen Bedürfnis, überhaupt einem Kind das Leben zu schenken, und dem Begehren, ein makelloses Kind zu bekommen, beginnt zu verschwimmen. Wir sind auf dem Weg zur Wunscherfüllungsmedizin." Dabei hat Mieth nicht nur die Pränatalmedizin im Blick, sondern auch die Präimplantationsdiagnostik. Diese in Großbritannien entwickelte Methode eröffnet die Möglichkeit, nach künstlicher Befruchtung den erst wenige Tage alten Embryo im Reagenzglas auf etwaige Krankheitsgene hin zu testen. Nur Zellen, die keine Schäden aufweisen, werden in den Uterus der Mutter gespült, die anderen vernichtet. Überzählige gesunde Embryonen können auch zum etwaigen späteren Gebrauch eingefroren werden - mit dem fragwürdigen Resultat, dass irgendwann die massenweise „Entsorgung" ansteht, wie, wenn auch mit anderen Vorzeichen, im vergangenen Jahr in Großbritannien.

Die grundlegenden ethischen Probleme, die der medizinische Fortschritt schafft, legen den Grundstein zu einer weit reichenden Selektion. Schon jetzt stimmten fast 62 Prozent der erwerbstätigen deutschen Bevölkerung bei einer Erhebung der These zu, „Personen mit einem hohen Risiko für schwere Fehlbildungen sollten keine Kinder bekommen, es sei denn, sie machen Gebrauch von der pränatalen Diagnose und dem selektiven Schwangerschaftsabbruch". Besonders schwierig wird es, wenn zu dem Wunsch nach dem perfekten Menschen wirtschaftliche Zwänge kommen, wenn etwa die Kosten der Behandlung von Menschen mit Behinderung gegen die von Abtreibungen gestellt werden. Aus den USA ist der Fall bekannt, dass eine Versicherung den Eltern eines an der schweren Drüsenerkrankung Mukoviszidose leidenden Kindes bei der zweiten Schwangerschaft dringend zu einer pränatalen Diagnose geraten hat. Für den Fall eines positiven Befundes wurde eine Abtreibung empfohlen. Man wollte nicht die Behandlungskosten für ein zweites Kind übernehmen. Oder, wie es in einer Empfehlung amerikanischer Wissenschaftler an Medicaid, die staatliche Beihilfe zur Krankenversicherung einkommensschwacher Bürger, heißt: „For every dollar spent on a desired abortion through Medicaid, four dollars are saved in medical and social welfare costs in just two years". Übersetzt: „Für jeden Dollar, der für eine gewünschte Abtreibung von Medicaid ausgegeben wird, lassen sich innerhalb von zwei Jahren vier Dollar an medizinischer und sozialer Leistung einsparen."

Man muss allerdings gar nicht einmal ins Ausland blicken, um die gravierenden Folgen einer unreflektierten Nutzung des medizinisch Machbaren zu erkennen. Fachärzte für pränatale Diagnostik berichten, dass hierzulande die Bereitschaft sinke, eine Behinderung zu akzeptieren, dass gleichzeitig der Anspruch steige, eine Schwangerschaft auch in einem weitaus späteren Stadium als der früher in diesen Fällen zulässigen 22. Woche zu beenden. „Es geht so weit, dass Eltern nicht akzeptieren mögen, dass ein Kind eine Lippen-KieferGaumenspalte hat", berichtet der Münchner Facharzt Karl-Philip Gloning aus der Praxis. Auch Hinweise, dass eine derartige Fehlbildung — im Volksmund als Hasenscharte bekannt — nach der Geburt des Kindes operiert werden kann, stimmen offensichtlich nicht um. „Es geht so weit, dass der vermeintliche Anspruch ,Ich kann diese Schwangerschaft zu jeder beliebigen Zeit beenden' zunächst nicht zulässt, Therapie überhaupt zu bedenken, sondern einfach zu sagen: Hier ist ein Defekt, dann will ich das Kind nicht", so Gloning.

Die gesetzliche Neuregelung hatte Folgen

Diese Entwicklung muss auch vor dem Hintergrund der Neufassung des Gesetzes zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen vom Juni 1995 gesehen werden. Darin hat der Gesetzgeber die so genannte embryopathische Indikation nicht mehr aufgenommen, nach der ein behindertes Kind bis zur 22. Woche straffrei abgetrieben werden konnte. Die Intention war, eine Diskriminierung behinderter Menschen zu vermeiden. In Fällen einer diagnostizierten Fehlbildung des Ungeborenen gilt nun die medizinische Indikation. Die Folge: Eine Frist, die den Zeitraum der Abtreibung begrenzen würde, gibt es nicht mehr.

Das kann zu der paradoxen Situation führen, dass Kinder, die in der 23. Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von etwa 500 Gramm zu früh auf die Welt kommen, mit allen Mitteln der Intensivmedizin am Leben gehalten werden, während daneben Kindern, die zwar behindert sind, aber bereits ein Gewicht von 1000 Gramm haben, der Tod zugedacht ist. Die Wahrscheinlichkeit nämlich, dass das in diesem Stadium abgetriebene Kind lebend zur Welt kommt, ist groß.

Diese Entwicklung stürzt Ärzteschaft, Hebammen und Pflegepersonal in ein Dilemma. Der Mediziner Hermann Hepp führt es drastisch vor Augen: Die Tatsache, dass aus der späten Abtreibung immer häufiger eine Frühgeburt werde, gehöre durch die Reform des Paragraphen 218 vermehrt zur ärztlichen Wirklichkeit. Damit werde „die zweite Dimension dieser ,Indikation', nämlich die aktive Tötung des Kindes, transparenter und bewusster. Mit der Geburt des lebenden Kindes darf der zuvor aktiv in Gang gesetzte Prozess des Tötens nicht mehr fortgesetzt werden. Im Sinne einer aktiven Sterbehilfe beziehungsweise Tötung durch Unterlassen wird das Kind nur beobachtet, bis es schließlich keine Atmung und keinen Herzschlag mehr zeigt."

Dagmar Bothe vom Bund Deutscher Hebammen klagte in einer Publikumszeitschrift, sie und ihre Kolleginnen gerieten häufig in eine „schreckliche Lage", wenn Kinder die Abtreibung überlebten. „Wir dürfen das Kind nicht einfach sterben lassen, das verstößt gegen unser Berufsethos. Und das Baby ist doch schon ein richtig kleiner Mensch. Wir wissen uns nur so zu helfen, dass wir das Kind in ein Wärmebett legen und es nicht zu intensiv versorgen, also nicht extra mit Tubus beatmen. Oft kriegt es auch beruhigende Mittel, wie Morphium, damit die Natur ihren Lauf nimmt."

In schwere Konflikte werden aber nicht nur die in der medizinischen Versorgung Tätigen gestürzt, sondern vielfach auch die Frauen. Die Münchner Spezialistin für pränatale Diagnostik, Sabine Minderer, berichtet davon, dass bei einem Ungeborenen in der 26. Woche ein zu kleiner Kopf festgestellt worden sei, was zu geistigen Entwicklungsstörungen hätte führen können. Die Frau hatte einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Das Kind sei lebend zur Welt gekommen. Auf der Intensivstation habe die Mutter dann den Wunsch geäußert, das Baby doch zu retten. Es sei allerdings nach zwei Tagen gestorben.

Das Recht des Ungeborenen

Nach seriösen Schätzungen müssen wir in Deutschland von rund 300.000 Schwangerschaftsabbrüchen jährlich ausgehen. Betroffen sind aber nicht allein die Frauen, sondern auch die Männer, Eltern, Verwandte, Freunde. Nicht zu vergessen die Ärzteschaft und das Pflegepersonal. Es sind also über die Jahre gesehen viele Menschen in diesem Land mit Abtreibung konfrontiert worden. Die in weiten Teilen mit Verbissenheit geführte Debatte um eine Liberalisierung der gesetzlichen Abtreibungsbestimmungen beziehungsweise um eine völlige Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs hat hier eine ihrer Ursachen. Wer wird schon gern vor die Tatsache gestellt, dass er den Tod eines ungeborenen — neuerdings sogar eines geborenen — Kindes zu verantworten hat oder zumindest in irgendeiner Form an der Entscheidung dazu beteiligt war? Es wäre weitaus angenehmer, würde man nicht daran erinnert, dass Menschenwürde auch dem ungeborenen menschlichen Leben zukommt, wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert hat. Es wäre entschieden bequemer, das heikle Thema zu verdrängen, zumal man persönlich insofern nicht mehr betroffen ist, als man selbst die Hürde der Abtreibung bereits genommen hat.
Der Fortschritt der Gentechnologie aber macht diesen Verdrängungsprozess schwierig. Nicht allein, dass durch noch im Forschungsstadium befindliche Bluttests möglicherweise künftig Gendefekte vorgeburtlich ohne den noch immer mit dem Risiko der Fehlgeburt verbundenen ärztlichen Eingriff und damit nahezu „flächendeckend" analysiert werden können. Die Gentechnologie greift nicht länger nur in das Leben der Ungeborenen ein. Sie kann auch die Geborenen sehr konkret betreffen. Humangenetische Forschung eröffnet die Möglichkeit, Krankheitsdispositionen frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Diese Chance für die Menschheit — etwa bei der Erforschung von bislang unheilbaren Krankheiten — kann sich aber auch schnell ins Gegenteil verkehren. Dann nämlich, wenn Keimbahnmanipulation und Eugenik Hand in Hand gehen. Wer unerwünschte Gene in sich trägt, kann leicht unter Druck geraten, will er sich nicht einer genetischen Zwangsdiagnostik unterziehen.

Leben wird immer weiter in die Verfügungsgewalt von Menschen gestellt. Dabei kann Selektion, die mit Blick auf die Ungeborenen bereits traurige Realität ist, schon bald die Kranken und Alten treffen. Ob eine solche Entwicklung zu verhindern ist, lässt sich heute nicht absehen. Es wird jedenfalls schwer werden, einmal entfesselte Kräfte in Schranken zu halten.

Martina Fietz