Das Leben auf dem Prüfstand

Guter Hoffnung? Stattdessen liegt auf vielen Schwangeren ein Schatten von Ängsten, fürchtet Sabine Grundmann – gerade wegen der Tests, die angeblich Sicherheit schaffen.

Ein gesundes Kind! Wie sehr wünschen wir es uns. Ich mag gar nicht daran denken, wie das wäre, wenn das Kind nicht gesund wäre, das wir in fünf Monaten erwarten. Dennoch komme ich nicht darum herum, mich mit diesem Gedanken auseinanderzusetzen. Jeder Besuch bei meinem Frauenarzt zwingt mich dazu.
Mein Arzt hat mir freigestellt, mich zu vergewissern, ob es mit der Gesundheit meines Kindes gut bestellt ist oder ob eine Krankheit, eine Missbildung oder eine Behinderung vorliegen könnte.

Wir können das mal überprüfen

Habe ich diese Sorgen vielleicht sogar erst, seit ich um die Möglichkeit dieser Tests weiß? Bislang habe ich mich mehr intuitiv als reflektiert dagegen gewehrt – weil ich das, was mir unerträglich scheint, irgendwie verdrängen und wegschieben wollte? Doch spätestens mit dem nächsten Arztbesuch ist die Erinnerung wieder da, bei seiner Bemerkung: „Sie wissen ja: Wenn Sie wollen, können wir das auch einmal überprüfen lassen!“
Aber was wäre denn, wenn ich ein Ergebnis hätte? Alle diese Checks, die Nackenfaltenmessung per Ultraschall, die mein Arzt wie selbstverständlich als „First trimester screening“ bezeichnet, die Fruchtwasseruntersuchung mit ihrer medizinischen Bezeichnung „Amniozentese“, scheinen mir nämlich mit einer erheblichen Schattenseite behaftet. Zum Teil bergen sie sogar selbst ein Risiko, das Ungeborene zu schädigen, und sie verschleiern, dass es für viele auffällige Befunde gar keine wirkliche Therapie gibt. Das gilt besonders für Chromosomenstörungen wie die Trisomie 21, die das Down-Syndrom, den sog. „Mongolismus“ auslöst. Wie würde ich mich selbst entscheiden, wenn ich in eine solche Situation geriete? Nach einem solchen (seltenen) Befund, der noch nicht einmal sicher ist, „geraten viele werdende Eltern unter Druck, die Schwangerschaft abzubrechen“, lese ich in einer Broschüre. Ich wage mir das nicht auszudenken. Ich spüre aber, dass eine andere Entscheidung, weil das Kind trotz einer möglichen Behinderung liebenswert und sein Leben lebenswert ist, großen Mut erfordern würde.

Ich will mich von herzen freuen

Aber eigentlich steht das Lebensrecht des Kindes für mich außer Frage. Trotzdem betrüben auch mich die Ängste, die die Möglichkeit der Tests hervorruft und die viele Schwangere bewegen mögen, sie machen zu lassen. Wie Adda aus meinem Geburtsvorbereitungskurs; sie mag sich manchmal kaum noch über ihre Schwangerschaft freuen, weil das Ungeborene noch nicht alle Tests bestanden hat. Anstatt, wie man früher sagte, guter Hoffnung zu sein, hat sich über die ersten Monate ihrer Schwangerschaft ein Schatten von Ängsten und Zweifeln gelegt. Und ich fürchte, dass diese dunklen Gefühle, die ja biochemisch in die Plazenta „übersetzt“ werden, nicht ohne Spuren auf die Entwicklung der Seele von Addas Baby bleiben.
Deshalb möchte ich am liebsten herausschreien, dass ich um Gottes willen in Ruhe gelassen werden möchte von diesen fast schon verordneten Ängsten und Haltungen, die mich dabei stören, mich auf das, mein werdendes Leben zufreuen. Ich wünschte, ich hätte mich bereits im Vorfeld über das Für und Wider pränataldiagnostischer Untersuchungen informiert, damit ich nicht jetzt erst darüber nachdenken müsste. Das hätte mir diese selbstquälerischen Gedanken erspart. Aber ich möchte mich auch jetzt nicht von vermeintlichen Sachzwängen überrumpeln lassen. Ich will mich von Herzen freuen können auf mein Kind und guter Hoffnung sein – ohne Vorbehalt!

Sabine Grundmann