… und höre auf zu denken

Für alleinerziehende Eltern erweisen sich die schönsten Wochen des Jahres oft als die schwierigsten. Da hilft nur eine andere Vorstellung von Urlaub.

Urlaubszeit – Sorgenzeit?

Mit den Ferien geht es mir ähnlich wie mit Weihnachten. Seit ich von meinem Mann getrennt lebe, entpuppen sich die ehemaligen Hoch-Feste des Familienlebens als Sorgenzeiten. Aber Weihnachten fällt auch nicht aus. Und wenn der gemeinsame Urlaub für Familien, wie ein Verband kürzlich verlauten ließ, ein Menschenrecht ist, dann gilt das ganz bestimmt auch für mich als alleinerziehende Mutter. Schließlich muss ich ganz allein die Verantwortung für meine Mini-Familie stemmen und brauche dafür doppelt Kraft. Also brauche ich auch doppelt Erholung, um diese Kraft zu tanken. Aber wie?

An meinen ersten Urlaub allein mit Anna (sie war damals fünf) erinnere ich mich mit gemischten Gefühlen. Ich hatte uns preiswert in ein Selbstversorger-Haus in den bayerischen Voralpen eingemietet. Anna hat’s gefallen – weil ich mich rund um die Uhr als Entertainer einspannen ließ. Mama, was machen wir heute? Spielst du mit mir? Wann bist du fertig mit Ausruhen? Als wir heimfuhren, fühlte ich mich kaputter als vorher.

Auch heute, vier Jahre später, hat Anna in Sachen Urlaub eindeutig das bessere Los gezogen. In den Herbstferien verreist sie regelmäßig mit ihrem Vater. Während der Sommerferien war sie jetzt schon zum dritten Mal eingeladen, mit der Familie ihrer besten Freundin zu fahren. Und etliche Ferienwochen verbringt sie bei meinen Eltern und meinem Bruder. Ich gönne meiner Tochter diese Abwechslung von Herzen. Aber wo bleibe ich dabei?

Urlaub anders definieren

Ferien „im alten Stil“ scheitern schlicht am fehlenden Geld. Umso mehr freue ich mich über die Gruppenreisen für Alleinerziehende und ihre Kinder, die die Erzdiözese München und Freising anbietet; Anna und ich kamen dadurch schon an die Nordsee und nach Südtirol. Das Beste daran ist: Ich kann mich in den Bus setzen und höre auf zu denken. Am Urlaubsziel haben die Kinder neben gemeinsamen Unternehmungen ihre eigenen Programme, sodass ich viel Zeit habe zum Entspannen, und der Tisch ist zu jeder Mahlzeit schon gedeckt. Das gleiche, nur kürzer, genieße ich bei der jährlichen Wochenendfreizeit des Treffpunkts für Alleinerziehende in meiner Heimatstadt.

Überhaupt habe ich gelernt, „Urlaub“ für mich anders zu definieren. Auch wenn die Tourismus-Werbung und Fernseh-Traumschiffe mir das einreden möchten: Ich muss dazu keine tollen Reisen machen. Wie gut erholt ich mich hinterher fühle, hängt nicht von einem „angesagten“ Reiseziel ab; vielmehr kommt es darauf an, wie wir die gemeinsame Urlaubszeit verbringen. Die Qualität der Beziehungen, Begegnungen und gemeinsamen Unternehmungen entscheidet! Auch einen gut geplanten Urlaub vor der Haustür kann ich als sehr schön und intensiv erleben.

Urlaub, Erholung fängt für mich bei den kleinen Fluchten im Alltag an, wenn ich Anna bei ihrem Vater oder bei Freunden gut aufgehoben weiß, mit einer Freundin auf deren Balkon chillen oder mich bei meinen Eltern ein Wochenende lang verwöhnen lassen kann. Warum soll meine schönste Zeit des Jahres nur die zwei Wochen umfassen, die ich mit Anna am Meer oder in den Bergen verbringe?

Barbara Huber