„Und plötzlich bin ich allein“ - die vier Phasen der Trennungserfahrung
„Bis dass der Tod euch scheidet.“ Dieses feierliche Eheversprechen rührt an tiefste menschliche Sehnsüchte nach einer Liebe, die ewig dauern soll. Aber immer häufiger erweist sich diese Sehnsucht als Illusion.
Jeder Mensch, der sich in einer Trennungssituation befindet, durchläuft einen Prozess, der sich in vier Phasen einteilen lässt.
- Die erste Phase des „Nicht-Wahrhaben-Wollens“ ist gekennzeichnet durch Verleugnung und Ignorieren der endgültigen Trennung. Man lebt in der Hoffnung, alles sei nur ein böser Traum. Es wird versucht, wieder Kontakt zum bereits ausgezogenen Partner aufzunehmen oder ein zufälliges Treffen zu inszenieren. Man verspricht dem anderen sich zu ändern, um der Beziehung nochmals eine Chance zu geben.
- In der zweiten Phase der aufbrechenden Gefühle zeigen sich starke Stimmungsschwankungen und Orientierungslosigkeit. Verzweiflung und Ängste wechseln sich ab mit Wut und Hassgefühlen. Diese lassen zusammen mit Selbstzweifeln und Schuldgefühlen die mit einer Trennung verbundenen Veränderungen als unüberwindbare Hürden erscheinen (Veränderungen der Finanzen, der Wohnung, der alleinigen Erziehung der Kinder, der bürokratischen Abwicklung der Scheidung).
- In der dritten Phase, der Neuorientierung, gelingt es langsam wieder, „Land“ zu sehen. Das Leben wird wieder aktiv in die Hand genommen. Die Abneigung und Verbitterung gegenüber dem getrennt lebenden Partner nimmt ab. Man entwickelt ein neues Selbstwertgefühl und lernt, sich selbst Zuwendung und Anerkennung zu geben.
- Der Beginn der vierten Phase zeigt sich darin, dass sich ein neues Lebenskonzept entwickelt. Man ist mit der neuen Lebenssituation zufrieden, hat sich selbst besser kennen gelernt und neue Fähigkeiten an sich entdeckt und ausgebildet. Vielleicht gibt es auch die Erkenntnis, dass die Trennung die einzig mögliche Lösung für eine selbstzerstörerische Partnerschaft war. Oder es gelingt, sich bewusst zu machen, welchen Einfluss die vergangene Partnerschaft auf eine zukünftige haben kann und welche realistischen Wünsche an eine neue Beziehung gestellt werden können.
Im Durchschnitt dauert es ein Jahr, bis man zur Phase II kommt, zwei bis vier Jahre benötigen die meisten, bis sie ein neues Lebenskonzept entwickelt haben. Einige werden schneller, andere langsamer sein - jeder Mensch hat sein eigenes, individuelles Tempo, sich auf die neue Situation einzustellen und sich weiterzuentwickeln.
Zahlreiche Angebote in der Diözesen unterstützen Menschen in Trennung und Scheidung, um diesen Prozess besser zu bewältigen.
Edith Lauble