Wenn Gott anklopft...

Gottes Spuren im Familienalltag sind vielfältig, nur nicht so ganz offensichtlich. Hanna Günter begibt sich auf die Suche.

Gott im trubeligen Familienalltag?

Die Erwachsenen, eingespannt zwischen beruflicher Herausforderung, Förderung (und Be-förderung) der Kinder, Sorge für die eigene Elterngeneration und daraus resultierend mit einem vollen Kalender, der wenig Lücken und Freiräume offenbart. Die Kinder weitgehend verwurzelt in der säkularen Welt von Kindergarten oder Schule, mit eigenem Stundenplan und Aktivitäten, mit eigenem Kopf und (zumindest mit zunehmendem Alter) eher wenig Interesse an innerfamiliärer Kommunikation.
Man könnte meinen, Familien haben eine denkbar schlechte Ausgangsposition, um ein 2013 das "Jahr des Glaubens" zu begehen.
Da bleibt kaum Raum für Ruhe und Stille, tiefgehende ausführliche Gespräche, artikulierte Fragen, meditative Impulse oder gemeinsame Gebetserfahrungen. Nein, Familien scheinen nicht gerade die ideale Zielgruppe für Glaubensreflexion und -vertiefung.
Und doch hat das Konzil, dessen Jubiläum ja Anlass für das Jahr des Glaubens gibt, genau die Lebensform in Ehe und Familie als eine mögliche Gotteserfahrung und -begegnung (GS 48) explizit gewürdigt.
Wo steckt also Gott im trubeligen Familienalltag? Wie lässt Gott sich erfahren jenseits der "Glaubensvertiefungsklassiker"? Begeben wir uns auf Spurensuche..

An die Grenzen geführt werden - und darüber hinaus

Schon in der Bibel gibt sich Gott oft und gerade den Menschen zu erkennen, die an ihre Grenzen gekommen sind und nicht mehr weiter wissen: Der Prophet Elija beispielsweise (1Kön 19). Gott sorgt für ihn, stärkt ihn und gibt ihm neue Perspektiven über die von ihm als unüberwindbar wahrgenommene Grenze hinaus.
Im Familienalltag sind schnell mal die "Grenzen erreicht" - auf ganz verschiedenen Ebenen. Und doch geht es weiter, im wahrsten Sinne des Wortes: Immer wieder weitet sich etwas, löst sich etwas, ergeben sich neue Sichtweisen. Da zeigt der Notfallplan im Krankheitsfall auf, was gut auch mal delegiert werden kann. Da endet ein Streit im gemeinsamen befreienden Lachen. Da mündet die Sprachlosigkeit nach einer Kinderfrage in ein bereicherndes Gespräch. Da rührt eine unbeholfen tröstende Patschhand zu Tränen und bringt damit etwas in Fluss. Da führt der mit Ärger verpasste Termin dazu, dass endlich mal Zeit ist, über etwas lange Aufgeschobenes zu sprechen. Da wird - wie jeden Tag - improvisiert (wörtlich: nicht vorausgesehen, typisch für die Grenzsituation) und ein wertvolles neues gemeinsames Ritual erfunden.
In all dem ist es ganz sicher wahrnehmbar: Das sanfte leise Säuseln Gottes, das auch schon Elija aus seiner Höhle auf dem Berg lockte und damit auf neue Horizonte schauen ließ.

Spielen, Staunen, Wundern, Freuen

Im Buch der Sprichwörter erzählt die Weisheit, wie sie Gott schon im Anfang, bei der Schöpfung, begleitete: "Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit. Ich spielte auf seinem Erdenrund, und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein. (Spr 8, 30b,31)"

Auch im Spiel ist Gottesbegegnung möglich, erfahren wir Gottes wohltuende Nähe:

  • in der Faszination, mit der Gottes Schöpfung unter die Lupe genommen wird;
  • in der Vertieftheit, die neue Welten eröffnet, in denen einfach alles möglich scheint;
  • in der Kreativität, in der Gefühle, Gedanken und Fragen zum Ausdruck kommen dürfen;
  • in der puren Freude, die mühelos auch scheinbar Gegensätzliches und Unpassendes miteinander in Einklang bringt;
  • in der Offenheit, die Gemeinschaft stiftet und Menschen in Kontakt bringt;
  • in der Bewegung, die ansteckt und vieles andere in Bewegung bringen kann;
  • im Wundern und Staunen über das, was andere und ich selbst vollbringen können, wenn wir Raum und Zeit dafür bekommen.

Von dieser Weisheit, die Kinder sich erhalten haben, können wir Erwachsene jeden Tag aufs Neue lernen: Spielen, Staunen, Wundern, Freuen - und manchmal sogar Glauben.
Gottes Spuren im Familienalltag sind vielfältig, die Aufzählung ließe sich noch lange fortführen: Gott ist erfahrbar im Streiten und Versöhnen, im Teilen und gemeinsamen Essen, in Ritualen und Festen, im Lachen und Weinen, in den vielen Schattierungen, in denen Liebe, Vertrauen und Dankbarkeit gelebt wird, im Fragen und Suchen.
Mit dem Schreiben "Porta fidei" (Tür des Glaubens) wurde das Glaubensjahr ausgerufen. Gotteserfahrungen in der Familie sind vergleichbar mit den ganz alltäglichen Türerfahrungen im Familienleben. Mal werden Türen zugeknallt, mal behutsam geöffnet, es wird eingeschlossen und ausgeschlossen, angeklopft und zugehalten. Türen grenzen ab und bieten Schutzraum, sie schaffen Weite und verbinden. Manche Türen sind mit einer Gegensprechanlage ausgestattet und manche bieten einfach einen Gesprächsanlass "zwischen Tür und Angel". Und immer wieder steht Gott vor der Familientür und tritt ein und lebt mit - mitten im Alltagstrubel.

Hanna Günther