Eine Vision für das Leben - Warum religiöse Wegbegleitung für Kinder wichtig ist
Kinder fragen nicht erst was sie fragen dürfen. Sie sind religiöse Wesen von innen heraus. Noch nie habe ich ein Kind getroffen, das nicht philosophische oder religiöse Fragen stellt.
Was war ich eigentlich, als ich noch nicht da war?
Wie geht das, dass ich weiß was ich bin?
Glaubt die Katze, dass Gott aussieht wie eine Katze?
Ist Gott ein Mensch oder eine Frau oder beides? So ein kleiner Macho…
Kinder sind auf Suche nach einer Vision für ihr Leben. Sie dabei im Regen stehen zu lassen, in dem ihre Suchprozesse, ihre eigenen Interpretationen einfach als unwichtig abgetan werden, nimmt ihnen ihre Würde. Kinder und die großen Fragen. Rainer Oberthür hat viele Kinderfragen gesammelt. Sie sind oft berührend und auch für uns Erwachsene eine Herausforderung.
Hilfe mein Kind ist fromm.
Ein WDR-Fernsehfilm hat vor einiger Zeit genau diese neue Situation von jungen Eltern exzellent thematisiert. Die Regisseurin hat mir im Vorfeld dieser Produktion bei einem meiner Vorträge zum Thema "Kinder nicht um Gott betrügen" in Köln ihre eigene Situation mit ihrer 8-jährigen Tochter geschildert: Eigentlich hatte ich seit vielen Jahren mit dem Thema Gott abgeschlossen. Und jetzt bringt mich meine Tochter mit ihren religiösen Fragen komplett durchein ander. Ich merke, dass es auch Fragen für mich selbst sind, die sie mir stellt. In der Tat sind viele Eltern in der Situation, dass sie durch die Kindertheologie. in der eigenen Familie sich mit religiösen Fragen neu beschäftigen müssen. Im Gegensatz zu vielen Fehleinschätzungen, dass die Eltern über ihre Kinder neu für die Kirche rekrutiert werden sollen, zeigt sich, dass bei einer radikalen Sicht vom Kind her sich eher die These eignet: Kinder sind die Priester ihrer Eltern. Kinder sind oft mehr Zeuginnen und Zeugen der Gottesnähe als Erwachsene. Aber dies hat zur Voraussetzung, dass ihre Familie, wie auch immer strukturiert (Vater Mutter Kind, alleinerziehend, Patchworkfamilien, Pflegefamilien usw.) diesen Kommunikationsprozess nicht verweigern, sondern kreativ gestalten. Meine bewusst provokant formulierte These: „Kinder nicht um Gott betrügen“ hat in der Zwischenzeit in breiten Kreisen einen Anstoß gegeben, Kinder nicht die Gottesbeziehung zu verbauen, sondern auf ihre Fragen und Suchprozesse einzugehen. Ich kenne leider viele, viele Kinder in Lateinamerika, die um ihr Leben betrogen werden, um sauberes Trinkwasser, um Schulbildung, um ihre Kindheit, um ihre Vision für ein menschenwürdiges Leben. Und ich kenn genug Kinder im deutschsprachigen Raum, deren Eltern alles Mögliche wichtig ist, aber nicht Zeit für ihr Kind zu einem Abendritus, zu einem ruhigen Gespräch, zu einer biblischen Geschichte.
Wenn es so einfach ist, dann kann ich`s ja auch.
Mit einer großen Gruppe von Eltern überlege ich bei einem Vortrag am Bodensee, wie sie ihr Kind selbst auf dem Weg zur Kommunion in der eigenen Familie zuhause unterstützen und auch thematisch begleiten können. Ungläubiges Erstaunen: das ist doch Aufgabe des Pfarrers und der Gemeindereferentin. Dafür muss man doch Theologie studiert haben. Am Ende des Abends sagt ein alleinerziehender Vater, Weltraumingenieur: Wenn es so einfach ist, dann kann ich`s ja auch. In der Zwischenzeit hatte ich anhand der Bausteine des neu entwickelten .Familienbuches. (A. Biesinger u. a. .Gott mit neuen Augen sehen.. Familienbuch. München 2004) aufgezeigt, dass sie es mit diesen Materialien sehr wohl selbst können, ihre Kinder auf die Kommunion vorzubereiten:
- Was ist wenn wir sterben.
- Wandlung und Verwandlung unseres Lebens.
- In Brot und Wein mit Gott verbunden.
Themen wie diese und Bausteine geben Eltern Halt und Unterstützung. Und jeder Baustein bietet eine elementarisierte Zusammenfassung im Sinne von Basiswissen. Wir wissen doch nichts, wir können unser Kind nicht religiös erziehen. Mit solchen Bausteinen können Eltern, die lesen, mehr als sie bisher gedacht haben. Und wer diese Bausteine mit seinem Kind durchgeht, gewinnt auch für den eigenen Glauben einen weiten und fundierten Horizont.
Ich habe keine Zeit…
„Abendoasen“
Oftmals höre ich von Eltern diesen Satz. Der bedeutet oft mehr als nur Stundenangaben. Viele Eltern fühlen sich so ausgelastet und ausgepowert, dass sie nicht auch noch einen zusätzlichen Stress mit der religiösen Erziehung ihrer Kinder wollen. Dies ist aber genau der Schlüssel für die Elternbildung: Religiöse Erziehung ist Oase, zur Ruhe kommen, sich in die Geborgenheit göttlicher Zusagen fallen lassen.
Kommt alles zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. (Matthäus, 11,28)
Religiöse Begleitung ist ja ein wechselseitiger Prozess. Und er tut auch dem Vater und der Mutter gut, wenn sie am Abend mit dem Kind sich noch einmal hinsetzt und ihm aus der Bibel vorliest, natürlich auch viele andere gute Geschichten und sie noch einmal gemeinsam den Tag durchgehen.
Was war heute schön - was war nicht so schön? Unsere damals fünfjährige Tochter Ingrid darauf spontan: Lieber Gott, heute war es gar nicht schön. Der Moritz hat mich gehaut. Dann habe ich ihn auch gehaut. Schlaf gut lieber Gott.
Rituale
Religiöse Erziehung und wechselseitige Begleitung in den Tagesablauf einbauen ist eine wichtige Erfahrung.
Rituale, Rituale… was nicht in den konkreten Alltag als Ritual integriert ist, hat weniger Intensität und Bedeutung. Abendrituale sind eine gute Gelegenheit, sich mit dem Kind noch einmal zu verständigen, vielleicht sich auch nach Konflikten zu versöhnen, ihm Zuwendung und Geborgenheit zu vermitteln. Mit unseren Neuenwicklungen von Bausteinen für Rituale in dem Band A. Biesinger, B. Berger, M. Holzem erhalten wir die Rückmeldung, dass viele Eltern sich auf solche Rituale einlassen können.
Sie können mehr als sie denken…
Diese Motivation ist für Eltern grundlegend wichtig. Der katholische Familienverband ist auf dem richtigen Wege, indem er nicht nur moralisierend Forderungen stellt an Eltern, sondern eher die Könnens-Ebene in den Blick nimmt: Was brauchen Sie als Eltern, um ihre Kinder religiös begleiten zu können und auf ihre .Großen Fragen (Rainer Oberthür) entsprechend einzugehen.
Albert Biesinger