Suchen und Finden - Orientierung im Dschungel von Kinder- und Jugendbibeln

Auch Kinderbibeln unterliegen einer zunehmenden Kommerzialisierung. Welche Kriterien zeichnen daher eine gelungene und empfehlenswerte Kinder- und Jugendbibel aus?

„Gottes Wort bleibt auf ewig bestehen; beständig wie die Feste des Himmels.“ (Ps 119,89). Diese Worte des Psalmisten haben im Jahr der Bibel eine ganz besondere Bedeutung. Und sicher werden anlässlich dieses Ereignisses wieder viele neue Bibelausgaben auf dem bunten Markt der Büchermöglichkeiten zu finden sein. Das gilt ganz besonders für den Bereich der Kinder- und Jugendbibeln; unterliegen diese doch, genauso wie die Kinderliteratur insgesamt, einer zunehmenden Kommerzialisierung. Dass das Wort Gottes Bestand hat, gibt uns Sicherheit, aber kann auch die „Darreichungsform“ bestehen? Mit anderen Worten: Welche Kriterien zeichnen eine gelungene und empfehlenswerte Kinder- und Jugendbibel aus?

Die textliche Gestaltung

Eine sorgfältig theologisch, aber auch pädagogisch durchgearbeitete Kinder- und Jugendbibel lässt durch die Auswahl der Texte einen gelungenen Eindruck von der Vielfältigkeit der Bibel gewinnen. Da es sich bei Kinder- und Jugendbibeln größtenteils um Auswahlbibeln handelt, der biblische Text also auf ausgesuchte Geschichten des Alten und Neuen Testaments beschränkt wird, ist ein Vorwort mit einer Begründung, nach welchen Kriterien die Auswahl der Perikopen getroffen wurde, wünschenswert. Auch Fußnoten, Deutungshilfen, Hinweise auf Parallelstellen und Sachinformationen sind hilfreich im Umgang und Verstehen der Bibeltexte.
Das mag weniger für die Kinder als Adressaten selber gelten, als vielmehr für die Erwachsenen, die eine Kinderbibel als Grundlage für eigenes biblisches Erzählen nutzen wollen.

Bei der sprachlichen Umsetzung sollte der biblische Textanspruch – also Eigenart, Intention und Kontext des Bibeltextes – erhalten bleiben. Auf der sicheren Seite ist man dabei mit einer textnahen Umsetzung, die mit möglichst wenig Veränderungen den Text kindgerecht gestaltet. Bei ausgesprochenen Erzählbibeln ist darauf zu achten, dass die Texte nicht, um Beachtung wecken zu wollen, die Grenzen freien Erzählens überschreiten. Gemeint sind modisches Retuschieren, unnötiges Fabulieren, Abdriften ins Fantastische, Polarisieren und Moralisieren, die oft schon an den Überschriften erkennbar sind.
Im Zusammenhang mit der textlichen Gestaltung ist auch auf eine Berücksichtigung des Erkenntnisfortschritts in Theologie, Bibelwissenschaft und ihrer Didaktik hinzuweisen.

Das betrifft zum einen das Gottesbild. Im Vordergrund sollte die bedingungslose Annahme des Menschen durch Gott stehen, die es auch uns ermöglichen kann, einander mit Fehlern und Schwächen anzunehmen. Durch das Gottesbild sollten im Text auch indirekt Möglichkeiten des Handelns in und an der Welt aufgezeigt werden. Dabei müssen negative Seiten des Lebens nicht ausgeblendet werden. Gleiches gilt für die immer wieder im Zusammenhang mit Kinderbibeln diskutierten biblischen Gewaltszenen: Nicht verdrängen, sondern durch eine bewusste Textauswahl verdeutlichen, dass Gewalt nicht das letzte Wort hat und Gott als Schöpfer die Bewahrung des Lebens will.

Vom Gottesbild nicht zu trennen ist das Christusverständnis. Gerade im Handeln Jesu, seiner Art sich Menschen zuzuwenden, erkennt man, dass er Sohn Gottes ist, dass Gott selber den Menschen nahe sein will.

Des weiteren sollten biblische Frauengestalten adäquat berücksichtigt sowie ihre Situation und Bedeutung hervorgehoben werden. Aufmerksamkeit verdienen Texte, in denen es um das Miteinander von Mann und Frau geht. In besonderer Weise ist an die Frauen in der Anhängerschaft Jesu und seine neue Weise des Umgangs mit ihnen zu denken, in der die Gleichwertigkeit von Mann und Frau erkennbar wird. Sie hat auch Auswirkungen auf die Bedeutung von Frauen in den ersten Christengemeinden.

Die bildliche Gestaltung

Den ersten Eindruck, den man von einer Kinder- bzw. Jugendbibel erhält, wird bewusst oder unbewusst durch die Illustrationen geprägt. Sie sind in ihrer Wirkung oft stärker als der Text, wecken Gefühle und bleiben im Gedächtnis. Eine Bibelillustration ist dann gelungen, wenn sie nicht einfach nur „Illustration“, also Abbildung des Erzähltextes ist, sondern einen eigenen Beitrag zum vertiefenden Verständnis des Textes bietet, die Auseinandersetzung mit ihm fördert, eigene Bilder entstehen lässt und so zum Nachdenken und zum Austausch einlädt. Dabei dürfen Bilder und Zeichnungen durchaus „unkonventionelle“ Motive schaffen, eine Verbindung zwischen Aussagegehalt des Textes und seiner Bedeutung für heute herstellen, vieldeutig sein und somit zur Identifikation anregen.

Auch kleinere Bilder oder Vignetten können den Text beleben und erklären. Besonders die Darstellung biblischer Realien bietet sich durch diese Art der Illustration an.

Kritik ist geboten, wenn Bilder biblische Szenen über den Text hinaus dramatisieren, sehr vordergründig und schablonenhaft wirken oder gar verniedlichen und beschönigen.

Angesichts der Verschiedenheit und Buntheit der zahlreichen Kinder- und Jugendbibelausgaben mag das Leitwort zum Jahr der Bibel weiter helfen:

Suchen. Und Finden.

Dorothee Hölscher und Herbert Stangl