Elternbildung und religiöse Bildung als Ermutigung fürs Eltern-sein

Die Familienbildung gibt die Chance „mal langsam zu machen“, für kurze Zeit ein, zwei Schritte zurückzutreten und den Familienalltag aus der Distanz wahrzunehmen.

  • In einem Elternkurs werden die Teilnehmenden gebeten, sich drei eigene Stärken, die sie als Mutter bzw. Vater haben zu überlegen. Eine Teilnehmerin danach: „Zuerst bin ich erschrocken. Ich habe gar nicht gedacht, dass ich drei Stärken finde. Ich denke meist nur an das, was nicht funktioniert. Jetzt bin ich froh und dankbar dafür. Vielleicht bin ich doch keine so schlechte Mutter.“
  • Am Ende eines Väter-Kind-Wochenendes sind die Väter wie die Kinder müde und gleichzeitig überglücklich. „Es war super toll! Mein Papa - zwei Tage nur für mich allein!“ „Ich bin richtig stolz auf meinen Sohn. In Zukunft werde ich bedeutend mehr Zeit für ihn reservieren.“ Beide schauen sich glücklich und wertschätzend an.
  • Die Pastoralreferentin hat in der Adventszeit im Kindergarten einen Elternabend über „Christkind, Weihnachtsmann – oder was?“ geleitet. „Ich war erstaunt, was Eltern alles nicht wissen. Religion ist für viele ein schwarzes Loch. Viele bedankten sich für den Abend, da sie jetzt ganz anders Weihnachten in der Familie feiern könnten. Sie fühlten sich für Fragen ihrer Kinder nun besser gewappnet oder hätten wenigstens keine Scheu mehr vor ihren Fragen. Ich selbst bin besonders dankbar für die sehr persönlichen Gespräche an diesem Abend.“

„...hätte aber die Liebe nicht“ (1 Kor 13)

Im Familienalltag gibt es 1000 Möglichkeiten aneinander anzuecken, sich misszuverstehen und unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche zu enttäuschen. Partnerschaft und Familie birgt zudem „hervorragende Möglichkeiten“, seine Schwächen nicht bei sich, sondern bei anderen Familienmitgliedern festzumachen. Es erfordert eine hohe (Liebes-)Kunst, über Jahre und Jahrzehnte Partnerschaft und Familie gut zu gestalten. Hohe Belastungen von außen besonders der Erwerbsarbeit und der Schule/Ausbildung tun ihr Übriges.

Anregungen durch die Familienbildung, den Blick wieder auf das zu lenken, was in der Familie gut ist, auf Stärken der Kinder, des/r Partner/in, auf eigene Stärken und Ressourcen können oft viel Verständnis für sich selbst und die anderen in der Familie wecken. Entlastend ist auch, eigene Ideale und Bilder von Familie anzufragen und mit anderen in Austausch zu bringen. Da können schon kleine Impulse, Beziehungen wieder zum Fließen bringen und Problemträger sich in wertschätzende Personen verwandeln.

Auszeit

Viele Familien sind „am Anschlag“  – sind außer Atem. Die bekannte Psychoanalytikerin Ruth Cohn soll einmal gesagt haben: „Ich habe wenig Zeit, also mache ich ganz langsam.“ Ein Wahlspruch, den man vielen Familien wünscht.

Die Familienbildung gibt die Chance „mal langsam zu machen“, für kurze Zeit ein, zwei Schritte zurückzutreten und den Familienalltag aus der Distanz wahrzunehmen. Dabei können aus dem Blick geratene Werte wieder „entdeckt“ und in Trainings eingeübt werden.

Zudem: Im Alltag laufen Kinder Gefahr, ein Risikofaktor und Hemmschuh für den notwendig straff organisierten Tagesablauf der Eltern zu sein. Oft stehen notgedrungen nicht mehr die Personen, sondern die zu erledigenden Aufgaben im Mittelpunkt. Mit etwas Distanz zum „laufenden Familienbetrieb“ können Mütter und Väter Gelegenheiten entdecken, in denen es für sie auch im Alltag möglich ist, sich mit aller Aufmerksamkeit dem Kind zu widmen. Beim Elternkurs „Kess-erziehen“ heißen solche besonderen Situationen „Edelsteinmomente“. Sie lenken den Blick darauf, dass das Zusammenleben mit Kindern ein großer Reichtum ist.

Besonders nachhaltig wirken Familienbildungsfreizeiten oder –wochenenden. Sie sind für Eltern und Kinder Tankstellen, die über lange Zeit die Familienatmosphäre positiv prägen. Sie stehen in einem familiären Erinnerungspool zur Verfügung, der oft  noch nach vielen Jahren Kraft schenkt.

Für Eltern schwierige Kinderfragen und -themen

Die meisten Eltern haben den Wunsch, dass ihre Kinder eine schöne Kindheit erleben können. Lässt doch ein „sonniges“ und zufriedenes Kind alle Herzen schmelzen, natürlich auch die seiner Eltern.

Dabei entstehen Fragen: Wie ist es möglich, dem Kind Grenzen zu setzen, ohne seine Begeisterung und Herzenswärme zu brechen? Wie kann es von Eltern begleitet werden, wenn es mit Leid, Krankheit oder Tod konfrontiert wird?

Es sind die Fragen und Themen, die in unserer Gesellschaft unbefriedigend beantwortet oder tabuisiert werden. Im Leben mit Kindern werden sie aufgedeckt und einige Eltern spüren, dass sie zu gängigen Einstellungen und Verhaltensweisen Alternativen brauchen. Deshalb werden Veranstaltungen der Familienbildung zu solchen Themen oft gut angenommen.

Vom reichen Schatz der christlichen/kirchlichen Tradition profitieren

Viele Eltern sind interessiert, mit ihren kleinen Kindern den Tag in besonderer Weise zu beschließen und ihnen vor dem Schlafen Sicherheit und Gelassenheit für die Nacht zu schenken. Sie entwickeln mit den Kindern wertvolle familiäre Rituale, die oft über Jahre in gleicher Weise vollzogen werden. Ritualisiert werden auch Feste gefeiert, der Sonntag gestaltet,...

Wenn Eltern oder die ganze Familie Anregungen, Unterstützungen für solche Rituale bekommen, wirkt sich dies oft über lange Zeit segensreich für die ganze Familie aus. Diese Anregungen können sehr vielfältig sein und geschehen an verschiedenen Orten:

-     Im Kindergarten, wenn das Kind Gebet, Rituale oder biblische Geschichten
      erlebt bzw. hört und davon zu Haus erzählt,
-     durch Elternabende zu Themen wie Ostern oder Weihnachten feiern,
-     durch Gesprächsabende für angehende Paten zu Themen rund um die Taufe,
-     durch Weitergabe von Literatur durch die Katholischen Örtlichen Büchereien 
     oder
-     durch das gemeinsame Erleben von Ritualen bei Familienfreizeiten.

Meist sind junge Eltern erstaunt, welch reicher Schatz ihnen die christliche/kirchliche Tradition als Unterstützung für sich selbst anbietet.

Ermutigung zur Familienbildung / religiöse Erziehung

Vermutlich haben noch nie so viele Eltern Rat und Hilfe in der Familienbildung gesucht zurzeit. Und vermutlich haben Eltern noch nie so viel Unterstützung bekommen wie zurzeit. Dennoch: Es bleibt - gerade auch im Blick auf die religiöse Erziehung - eine große Herausforderung, Familienbildung auf die jeweiligen Fragen und Bedürfnisse von Eltern hin zu gestalten. Eltern, die „am Anschlag“ sind, die keine Zeitreserve sehen, zu einer Auszeit zu motivieren, ist eine hohe Kunst, der sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit viel Engagement und Kreativität widmen.

Rudolf Mazzola