Ein persönlicher Rückblick: Mit den Beinen auf dem Boden, im Herzen hoch über den Wolken
Seit fast 20 Jahren sind wir nun verheiratet. Wir haben schon während unseres Studiums, also recht jung, geheiratet und haben inzwischen drei Kinder zwischen 11 und 4 Jahren.
Sich als Paar eigenständig entwickeln und entfalten
Die ersten Jahre unserer Ehe haben wir recht zwiespältig in Erinnerung: Es war eine intensive und spannende Zeit des gegenseitigen Kennenlernens, Zukunftspläne wurden geschmiedet, so manches Luftschloss wurde gebaut und wieder eingerissen. Alles lag noch vor uns. Als hilfreich dabei empfanden wir eine – durch das Studium bedingte – räumliche Distanz zu unseren Eltern – wir konnten uns als Paar eigenständig entwickeln und entfalten. Wir konnten ungestört lernen, lernen miteinander zu reden und einander zuzuhören, lernen mit Enttäuschungen fertig zu werden, lernen den anderen in seiner Andersartigkeit und „Fehlerhaftigkeit“ zu akzeptieren.
Kinder gehörten ganz selbstverständlich zu unserer Lebensplanung dazu und so wollten wir zum Ende unseres Studiums nicht länger warten. Wir wünschten uns mehrere Kinder. Die klassische Aufteilung „Er“ geht arbeiten und „Sie“ bleibt bei den Kindern war dabei eigentlich von Anfang an klar. Aber eine Fehlgeburt im dritten Schwangerschaftsmonat und eine drei Jahre dauernde ungewollt kinderlose Zeit haben ihre Spuren hinterlassen. Unsere Zukunftsplanung wurde auf den Kopf gestellt. Ein nicht enden wollendes Warten mit vielen Enttäuschungen begann. Es war nicht einfach in dieser Zeit „in Beziehung“ zu bleiben. Oft war nur noch Sprachlosigkeit, Resignation, Verzweiflung und Wut zu spüren. Wir mussten ernsthaft anfangen unserer Beziehung einen anderen Sinn zu geben als den, eine Familie zu gründen.
Die „Schätze“ der vergangenen Jahre
Dann kam es doch noch anders: die zwei großen sind nur ein Jahr hintereinander geboren und unser Nachzügler dann mit sechs Jahren Abstand. Dazwischen galt es noch eine Eileiterschwangerschaft zu verkraften.
Als Eltern mussten wir nun mit ganz anderen Problemen fertig werden. Unsere Rollen als Ehefrau und Ehemann waren uns inzwischen vertraut, aber Vater und Mutter zu sein, war uns neu und fremd. Und es galt, beide Rollen in Einklang miteinander zu bringen.
Ein Stellenwechsel und ein damit verbundener Umzug fielen in die ersten Jahre unserer Elternschaft und ließen uns die Dinge auch manchmal über den Kopf wachsen. Unsicherheit im Umgang mit einem Baby, Schlafmangel bis hin zur Erschöpfung und das Gefühl der Überforderung überschatteten oft die Freude über die Kinder. Die Zeit für Zweisamkeit nahm rapide ab. Wir hatten oft das Gefühl, dass unsere Beziehung jetzt von den „Schätzen“ der vergangenen Jahre lebte. In dieser Zeit, in der wir auch wirklich noch Zeit hatten, konnte eine tiefe Basis an Vertrauen und Sicherheit in unsere Ehe entstehen, die uns nun half, die krisenhafte Zeit des Übergangs zur Elternschaft doch ganz gut zu meistern. Aber die Speicher mussten natürlich über die Jahre auch immer wieder aufgefüllt werden.
Speicher wieder auffüllen
Die Erwartungen an Zweisamkeit mussten wir drastisch herunterschrauben. Wir genossen jetzt auch mal einen relativ ungestörten Fernsehabend bei einem guten Glas Wein und Käse statt des Theater- oder Kinobesuchs. Eine Zeitlang waren auch die ersten ein, zwei Stunden des Samstagmorgens für uns reserviert: den zwei Großen machte es Freude sich einmal ganz allein um ihren Bruder kümmern zu dürfen (mit allem Drum und Dran) und wir konnten entweder einfach mal ausschlafen oder aber auch die Zeit zu zweit genießen.
In Sachen Urlaub haben wir uns auch immer wieder mal was einfallen lassen – mal mit den Großeltern, mal mit einer befreundeten Familie, damit jedes Paar mal Auszeiten hat oder auch mal nur mit den zwei Großen, die dann auch schon mal Freiräume für uns zuließen (den Kleinen durften in dieser Zeit die Großeltern verwöhnen).
„Nur-Paar“ sein dürfen
Eine große Unterstützung fanden wir unvermutet in unseren Eltern. Obwohl Sie hunderte Kilometer weit entfernt leben, wuchsen sie erstaunlich gut in die Rolle der Großeltern hinein. Gott sei Dank sind sie körperlich noch sehr fit, so dass sie (bis heute) auch mal alle drei Kinder für ein Wochenende zu sich holen, damit wir einmal im Jahr auch ein paar Tage alleine verbringen können. Allerdings kommt dann doch relativ schnell das Gefühl auf „nicht komplett“ zu sein – unsere Kinder gehören einfach zu uns dazu – wir sind doch so etwas wie eine Einheit. Aber, wenn uns wieder mal alles über den Kopf wächst und sich Unzufriedenheit breit macht, hilft auch der Gedanke an ein paar „kinderfreie Tage“ und die Perspektive, wieder mal nur Paar sein zu dürfen, um wieder neuen Mut zu schöpfen.
Mit Zuversicht in die Zukunft
Schließlich wurde uns auch bewusst, wie wichtig es ist, mit unseren Kräften hauszuhalten und wie wichtig es ist Entscheidungen für unser Leben zu treffen, die familien- und ehefreundlich sind. So entschieden wir uns beispielsweise beim Erwerb unseres Häuschens für ein fertiges Reihenhaus „von der Stange“ anstelle eines aufwändigen Eigenbaus. Im Verwandten- und Freundeskreis wurde uns deutlich, welche Kräfte so ein Vorhaben bindet und wie belastend das für eine Beziehung sein kann.
So langsam macht sich mittlerweile bemerkbar, dass unsere Kinder älter werden. Die Probleme mögen vielleicht nicht kleiner oder weniger werden, aber unsere Kinder werden immer selbständiger und brauchen nicht mehr so sehr unsere ständige Anwesenheit. Unsere eigene Aufgabe und Herausforderung als Paar ist und bleibt es, an unserer Beziehung zu arbeiten, im Gespräch zu bleiben und füreinander ein Gespür zu behalten, in Zeiten der Entfremdung wieder Annäherung zu suchen und zuzulassen.
Unsere Ehe hatte bisher viele verschiedene „Gesichter“, es gab viele Höhen und Tiefen, wir haben viel gelacht, aber auch viel geweint. Jetzt gehen wir mit ganz viel Gelassenheit, Freude und Zuversicht in die Zukunft – wir wissen inzwischen aus eigener Erfahrung: wir können es schaffen – gemeinsam, im Vertrauen zueinander, im Vertrauen in unsere Familie und nicht zuletzt im Vertrauen auf Gott.
Annette und Thomas Hirmer