Und wer freut sich mit mir?

Frauen, die ihre Kinder allein erziehen, gebührt großer Respekt und konkrete Unterstützung. Dazu bekennen sich inzwischen auch Politiker und andere Entscheider. Doch im Alltag müssen die Frauen nach wie vor viele Hürden meistern.

Sie muss es alleine schaffen!

Ich habe den Sekt im Kühlschrank kalt gestellt, sagte Susanne  zu ihrer Freundin Kerstin, bevor sie sich auf den Weg machte. Sie war gerade von einer Urlaubsreise zurückgekehrt, und da ihre Periode ausblieb, hatte sie ein eher mulmiges Gefühl im Bauch. Sollte, durfte sie sich nun freuen oder brach eher eine Katastrophe aus? 
Als die Ärztin ihr mitteilte, dass sie schwanger sei, gingen ihr tausend Gedanken im Kopf herum. Sie hatte einen wunderschönen Sommer genossen. Vorher hatte sie eine unbefristete Stelle zugesagt bekommen. Es passte alles ganz wunderbar. Fast ... Aber sie müsste es allein schaffen! 

Es scheint, dass sie nicht ein Kind, sondern ein Problem erwartet

Ihr Freund hatte ihr schon des Öfteren klipp und klar erklärt, dass er auf keinen Fall ein Kind möchte. Was würde er sagen? Wie würde sich ihre Beziehung entwickeln? Wie würden ihre Eltern reagieren? Fragen über Fragen, und doch: Trotz aller Fragen und Ängste war Susanne tief berührt von dem Gedanken, dass ein neuer Mensch in ihr heranwuchs. 
Auch wenn einige diesen Schritt ganz bewusst gehen: Als schwangere Frau von Anfang an zu wissen, allein die Verantwortung für das Kind tragen zu müssen, löst selten Jubelstürme aus. Viele Frauen, die sich eigentlich auf das Kind freuen, fühlen sich doch erdrückt von all dem, was auf sie zukommt. Ihre ganze Umwelt, nicht zuletzt der Arbeitgeber, signalisiert ihnen von Anfang an, wie schwierig das alles für sie werden wird und dass sie sich möglichst früh um alles Mögliche kümmern müssen. Dazu kommt die eigene Unsicherheit. Es scheint, dass sie nicht ein Kind, sondern ein Problem erwarten. 

Der soziale Abstieg droht

Tatsächlich zählt es zu den größten Herausforderungen in unserer Gesellschaft, allein mit einem Kind zu leben. Zwar werden immer mehr Kinder nichtehelich geboren (insgesamt zwölf Prozent) und die familienpolitischen Leistungen wurden verbessert: das Kindergeld ist gestiegen, die Reform des Erziehungsurlaubs zur „Elternzeit" lässt flexiblere Lösungen bei der Vereinbarung von Kind und Beruf zu, die Einkommensgrenzen für das Erziehungsgeld wurden geringfügig erhöht. Aber trotzdem: Nach wie vor stehen die meisten allein erziehenden Mütter vor der Alternative, während der „Elternzeit" von Sozialhilfe zu leben oder nach acht Wochen Mutterschutz gleich wieder in den Beruf einzusteigen - was oft massive Probleme mit der Kinderbetreuung beschert. Von Sozialhilfe zu leben heißt aber nicht nur den eigenen Lebensstil einzuschränken und auf "Luxus" zu verzichten. Für viele Frauen bedeutet das einen sozialen Abstieg. In einzelnen Bundesländern/Landkreisen gibt es spezielle Hilfsmöglichkeiten für allein erziehende Mütter mit Babys; es lohnt sich beim zuständigen Sozialamt genauer nachzufragen.

Dazu kommen oft noch Auseinandersetzungen mit dem werdenden Vater

 Neben den materiellen Problemen drohen oft Auseinandersetzungen mit dem Partner. Der eine sieht sich nicht in der Lage oder ist gar nicht erst gewillt, sein Leben auf ein Kind hin zu verändern; für die werdende Mutter heißt das: er oder das Kind. Und: Entscheidet sie sich für das Kind, soll sie auch allein damit fertig werden. Die Statistiken über "Erzeuger", die sich vor ihren Unterhalts-Pflichten drücken, sprechen Bände. 
Der andere drängt vielleicht auf ein gemeinsames Sorgerecht für das Kind; seit dem Inkrafttreten des neuen Kindschaftsrechtes ist das auch für unverheiratete Paare möglich. Die Schwangere hofft womöglich, durch ihr Einverständnis den Vater stärker an sich zu binden und sich seine Unterstützung zu sichern. Aber das gemeinsame Sorgerecht kann nicht einfach zurückgenommen werden, wenn es dann doch nicht klappt. Und die Versuchung, partnerschaftliche Schwierigkeiten über das Sorgerecht auszutragen, ist groß. 
Andere Paare wollen es miteinander und dem Kind versuchen, sind aber mit der neuen Situation völlig überfordert. 

Hilfe und Unterstützung organisieren

So oder so: Solche Erfahrungen prägen das Männer- und Vaterbild, das die Mütter ihren Kindern vermittelt - höchstwahrscheinlich eher negativ. 
Zum Glück lassen sich viele Frauen von all diesen Schwierigkeiten nicht abschrecken. Sie wissen, dass besondere Anforderungen an sie gestellt werden, und entwickeln Phantasie, mobilisieren Kräfte, organisieren Hilfe. So erleben sie sich als stark und kompetent. Allerdings brauchen sie Rückenstärkung, Helferinnen, die ihnen in den unvermeidlichen Tiefs Mut machen und neue Wege aufzeigen. 
Beratungsstellen, aber auch Interessenverbände Alleinerziehender informieren über die Leistungen von Bund, Länder und Gemeinden, die Alleinerziehenden zustehen. Sie helfen außerdem bei der Wohnungssuche, bei Behördengängen, der Kinderbetreuung und allen möglichen anderen Fragen. 
Ehe- und Erziehungsberatungsstellen unterstützen und vermitteln in Auseinandersetzungen mit dem Vater des Babys. 
Freundinnen und Verwandte können neben den Sorgen der Schwangeren auch ihre Vorfreude über den wachsenden Bauch und die ersten Bewegungen des Ungeborenen teilen. So wissen die werdenden Mütter sich auch mit ihren düsteren Gefühlen verstanden und aufgehoben. Freundinnen können sie zum Geburtsvorbereitungskurs und in den Kreißsaal begleiten oder auch beim Umzug in eine neue Wohnung tatkräftig mit anpacken. Sie festigen damit zugleich das Vertrauen der Schwangeren in die eigenen Kräfte und bewahren sie davor, sich als Heldin beweisen zu müssen, die alles allein schafft. 

Andere Betroffene geben Mut

Zwar gibt es auch Freundinnen und Verwandte, die die Schwangere eher noch verunsichern oder ihr gar Vorwürfe machen - vielleicht aus Angst, zuviel mit anpacken zu müssen, statt sich wie bisher unkompliziert fürs Kino verabreden zu können. Vor allem die eigenen Eltern reagieren vielleicht auch mit Vorbehalten, weil sie sich Sorgen machen und ihre Moralvorstellungen erschüttert sehen. Häufig bietet sich jedoch unverhofft die Chance auf einen neuen Anfang, wenn das Baby erst einmal da ist. 
Freunde und Brüder der Mutter und der Großvater können den Kindern allein erziehender Mütter ein positives Männer-Bild vermitteln und besonders für Jungen als Identifikationsfigur dienen. 
Hilfreich können vor allem andere Betroffene sein: Gruppen von Alleinerziehenden in Gemeinden, Familienbildungsstätten oder in eigenen Vereinen. Hier können werdende Mütter neue Kontakte knüpfen, von anderen hören, wie sie Schwierigkeiten gemeistert haben und immer wieder neu meistern, und nicht zuletzt starke Familien erleben, die glücklich mit ihrem Leben sind und diese Gesellschaft mit ihren Stärken mitgestalten. 

Und Susanne? Obwohl die Wahrscheinlichkeit sehr hoch war, dass sie mit diesem Kind allein leben würde, und obwohl sie ahnte, wie sehr dieses Kind ihr Leben verändern würde, ließ sie erst mal den Sektkorken knallen und stieß mit Kerstin an. 

Johanna Rosner-Mezler und Barbara Tieves