Feiern, geteilt durch zwei

Trotz Trennung oder Scheidung gemeinsam die Feste der Kinder feiern? Das erfordert unkonventionelle, aber stimmige Lösungen.

Trennung wird offenbar und spürbar

Wie wird es sein, wenn er (oder sie) nicht mehr dabei ist? Oder, noch schwieriger: wenn er (oder sie) wieder dabei ist? Wenn seine (oder ihre) Eltern bei diesem Fest schmerzlich spüren: Wir sind jetzt nicht mehr so nahe dran an den Enkeln wie früher? Oder, noch schwieriger: wenn die Kinder neben ihm (oder ihr) auch noch die geliebten Großeltern vermissen?

Ein Familienfest nach einer Trennung zu feiern, kann zu einem schwierigen Unterfangen werden. Denn alle Betei­ligten wissen oder ahnen: Bei diesem Fest wird offenbar und spürbar, dass sich etwas verändert hat seit der letzten Feier, dass Verletzungen aufgebrochen und womöglich noch nicht verheilt sind.

Sabine und Paul haben sich vor sechs Monaten getrennt. Ihre Töchter Marie (11) und Lea (9) wachsen bei der Mutter auf und verbringen jedes zweite Wochenende bei ihrem Papa, der 20 Kilometer entfernt bei seiner Freundin wohnt. Die Trennung war schmerzhaft, aber mit viel Bemühen haben Sabine und Paul eine Norma­lität geschaffen, an die sich die Mädchen einigermaßen gewöhnt haben. Sie sind traurig, dass der Papa jetzt bei Christine wohnt; aber sie verstehen sich ganz gut mit ihr, und sie können jederzeit mit ihm telefonieren.

„Kann es überhaupt ein schönes Fest werden?“

Lea geht im nächsten Jahr zur Erstkommunion, die Vorbereitungsgruppe hat gerade angefangen. Ihr Fest, wünscht sich Lea, soll genauso schön werden wie Maries Erstkommunion. Sie kann Maries Kleid übernehmen, möchte die Omas und Opas, ihre Paten, die Onkel und Tanten einladen und ihre beste Freundin. Am liebsten sollte alles genauso sein wie bei Marie.

Sabine ist es bei Leas Begeisterung etwas bang ums Herz. Gott sei Dank ist es noch eine Weile hin … So wie Ma­ries Erstkommunion kann es auf keinen Fall werden; schließlich hat sich seither alles verändert. Sie mussten ihr Haus verkaufen und wohnen in einer kleineren Woh­nung, wo die Festgäste nicht genug Platz finden. Kann sie überhaupt ein fröhliches Fest feiern, wenn sie Paul über Stunden vor Augen hat? Hoffentlich hat er wenigstens so viel Einfühlungsvermögen, dass er seine Freundin nicht mitbringt! Und wenn ihre Eltern ihn zum ersten Mal wieder sehen, wie werden sie reagieren? Sie sind ganz schön sauer, dass er sich in ihren Augen so einfach aus dem Staub gemacht hat. Und die Schwiegereltern … Ganz schön viele Probleme! Sabine möchte, dass es für Lea ein schönes Fest wird, möchte ihre Wünsche mög­lichst einbeziehen; aber sie weiß auch, dass sie so planen muss, dass es für sie einigermaßen stimmt. Keine Ah­nung, wie sie das hinkriegen soll!

Eigene Bedürfnisse klären

Dann fällt Sabine ein, dass ihr Frau Winter vielleicht hel­fen könnte. Die Psychologin hat sie in der Trennungszeit begleitet. Frau Winter kennt sie und die Verhältnisse, sie hat Erfahrung mit anderen Familien in ähnlichen Situa­tionen. Ein Gespräch mit ihr könnte sicher das eine oder andere klären.

Genauso ist’s! Frau Winter bestärkt sie sehr, neben Leas Wünschen auf ihre eigenen Gefühle zu schauen, die Wünsche und Befürchtungen der Verwandten wahrzu­nehmen, aber nicht in den Vordergrund zu stellen, denn: „Sie können es nicht allen recht machen!“

Nach zwei weiteren Gesprächen mit der Gemeindereferentin und in der Alleinerziehenden-Gruppe weiß Sabi­ne, dass sie sich entscheiden muss:

  • Sie und Paul könnten Leas Erstkommunion gemeinsam feiern. Zu klären wäre dann: Wo? Wie lange? Mit oder ohne seine neue Partnerin?
  • Oder sie feiern getrennt mit den Kindern. Auch dann müssten sie die Modalitäten wie Zeit und Ort miteinander klären.

Nach diesen Gesprächen hat Sabine ein paar Schritte fest vor Augen:

  • Als erstes will sie Lea vermitteln, dass sie gerne ihre Wünsche berücksichtigen und ein schönes Fest mit ihr feiern möchte, dass die Veränderungen der letz­ten Zeit aber Einfluss auf das Fest haben werden.
  • Sie wird eine Liste von Dingen machen, die sie mit Paul klären muss: Gästeliste, Finanzen, Geschenke… Dabei wird sie ihm auch sagen, dass sie sich nicht vorstellen kann, dass Christine zum Fest kommt.
  • Für das Fest wird sie sich praktische und emotionale Hilfe von ein, zwei Freundinnen sichern, die ihre Probleme kennen.
  • Die Paten wird sie bitten, sich verstärkt um Lea zu kümmern.
  • Sie und Paul werden jeweils ihren Eltern und Ver­wandten vermitteln, wie sie sich entschieden haben und warum.
  • Sie wird Lea erklären, dass möglicherweise der eine oder die andere mit dem geplanten Ablauf des Festes nicht einverstanden ist und wegbleiben wird.
  • Maries Geburtstag im November soll ein kleiner Testlauf werden.

Sabine weiß: Das alles wird nicht einfach werden. Aber sie sieht einen Weg vor sich und ist zufrieden.

Ein Testlauf bringt Klarheit

Maries Geburtstag naht; der Papa, die Omas und Opas und die Paten werden am Samstag zum Nachmittagskaf­fee kommen. Sabine hat im Vorfeld alle Gäste informiert, wer anwesend sein wird. Es ist eng an der Kaffeetafel, und die Atmosphäre ist anfangs etwas gespannt. Doch allmählich löst sie sich. Bis Paul nach dem Auspacken der Geschenke verkündet, dass er jetzt gehen müsse, weil er noch etwas mit Christine vorhat. Als er Maries enttäuschtes Gesicht sieht, verspricht er, die Mädels am nächsten Tag zu einem Ausflug abzuholen und auch zusammen mit Christine Maries Geburtstag zu feiern. Sabine zögert; will sie, dass Christine mit den Festen ihrer Kinder etwas zu tun hat? Die Brücke ist Paul, der sein Leben jetzt mit Christine teilt – das ist für Sabine schmerzlich. Aber er ist der Vater der Kinder, das muss und kann sie respektieren. Also stimmt sie zu.

Für Sabine steht nach dem „Testlauf“ fest: Sie wird Christine nicht aus Leas Erstkommunionfest heraus­halten können. Sie weiß aber auch, dass sie nicht mit ihr gemeinsam am Tisch sitzen möchte. Vielleicht fällt Paul ja eine Lösung ein … Und eigentlich wäre das ja tatsächlich seine Aufgabe! Dass er zwischen zwei Stühlen sitzt, ist ihr theoretisch klar. Aber sie möchte momentan nicht mit ihm über seine Befindlichkeiten sprechen. Noch nicht.

Den eigenen Weg finden

Die Familie feierte Leas Erstkommunionfest im Saal des Gemeindehauses, gleichzeitig mit einer anderen. Das erforderte zwar einige Absprachen, entspannte aber die Atmosphäre. Lea fand es wunderschön!

Beim Gottesdienst war auch Christine da, aber das machte Sabine in der Menge der Festgäste nichts aus. Sie hatte mit Paul entschieden, zwei Feste mit Lea zu feiern. So kamen alle Gäste zum Gottesdienst, beim anschlie­ßenden Mittagessen waren aber nur Sabines Eltern und Geschwister samt Anhang, die Paten und Leas Freundin anwesend. Am Sonntag danach machten die Mädchen zusammen mit ihrem Vater, Christine und Pauls Eltern einen Ausflug; zum Abendessen kamen auch Pauls Ge­schwister dazu.

Und Lea? Sie erlebte sich sehr beschenkt. Ihren Freun­dinnen in der Schule und auf dem Spielplatz erzählte sie stolz, dass sie sogar zwei Feste hatte!

Johanna Rosner-Mezler