Damit das Fest zum Fest wird ...

Taufe feiern nach Trennung und Scheidung.

Maßstab und Orientierung finden

Feste in Ein-Eltern-Familien werfen spezielle Fragen auf: Wollen oder sollen beide Eltern an dem Fest teilnehmen? Wer ist wofür zuständig? Wie viel Bereitschaft zur Abstimmung und Zusammenarbeit werden dem anderen Elternteil zu Gunsten des Kindes angeboten, ohne dass sich ein Konflikt entzündet? Was ist der Maßstab, an dem sich das Fest orientiert: Soll alles sein wie früher oder gibt es alternative Modelle?  Nach einer Trennung oder einer Scheidung fehlen häufig Erfahrungen und Vorstellungen, wie das Fest zum Fest werden kann.
Folgende Situation schildert eine alleinerziehende Mutter, deren 9-jährige Tochter den Wunsch äußerte, getauft zu werden. (Dieses Beispiel ist entnommen aus der Arbeitshilfe der agae-Arbeitsgemeinschaft für alleinerziehende Mütter und Väter der Diakonie: „Damit das Fest zum Fest wird“)

Meine Tochter nahm in der Schule am evangelischen Religionsunterricht teil. Irgendwann kamen wir im Gespräch zu Hause auf die Taufe, ihren Sinn und dergleichen zu sprechen. Dabei stellte Lena fest, dass alle in der Familie getauft sind, nur sie nicht; sie wollte sich taufen lassen. Als ich verstanden hatte, dass Lena sich genau das wünschte, was ich ihr als Sinnbild der christlichen Taufe (die Aufnahme in die Gemeinschaft) immer vermittelt hatte, wollte ich ihr diesen Wunsch auch erfüllen.

Lena wünschte sich von Anfang an ein großes Fest, zu dem sie alle Leute einladen darf, die ihr wichtig sind.
Am meisten hat mich die Taufe und die Vorbereitungen emotional gekostet: die Schwester von Lenas Vaters anzurufen und mit ihrer Familie einzuladen - seit vielen Jahren das erste Gespräch zwischen uns. Ich musste auch mit ihrem Vater über die Taufe reden, der als überzeugter Atheist ganz andere Vorstellungen hat. Für mich war nicht kalkulierbar, wie meine Eltern als überzeugte Katholiken auf die evangelische Taufe ihrer Enkeltochter reagieren würden, und auf meinen neuen Freund, den noch keiner aus der Familie kannte.

Auf Lenas Gästeliste standen 28 Personen (Verwandte und andere wichtige Bezugspersonen, Kinderfreunde, auch die Religionslehrerin). Ich sprach mit allen potenziellen Gästen persönlich, bevor wir die Einladungen verschickten und erklärte den geplanten Ablauf und den Hintergrund.

Wichtig war für mich bei diesem Tauffest, dass Lena die Hauptperson ist und sie auf Grund unserer Lebenssituation auch ein geteiltes Leben führt: das eine mit mir, mit meiner Familie, in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. das andere gleichrangig mit ihrem Vater, dessen Familie, Bekannten- und Freundesskreis. Diesen mir zum Teil völlig unbekannten Teil des Lebens meiner Tochter musste ich einbeziehen, damit die Taufe wirklich ein Fest der Gemeinschaft werden konnte. Das hieß für mich, meine Ängste und Befürchtungen zu überwinden, sozusagen über meinen eigenen Schatten zu springen. Genauso wichtig war es mir auch, mir, meinen Überzeugungen und meinem Leben treu zu bleiben; das hieß, z. B. in für mich und Lena wichtigen Dingen keine Zugeständnisse zu machen. Wir bestimmten den Ablauf des Festes, gaben den Rahmen vor, der unsere finanziellen Möglichkeiten nicht übermäßig strapazierte.

An Lenas Taufe war die Familie zum ersten Mal seit der Trennung komplett, auch alle Freunde und Freundinnen, die ihr wichtig sind, feierten gemeinsam. Ihr Taufspruch heißt: Du stellst meine Füße auf weiten Raum - an diesem Tag gelang das.

Tipps für Ein-Elternfamilien bei der Feier der Taufe:

  • Auch wenn das Kind sich selbst noch nicht zu seiner Taufe äußern kann, ist es trotzdem die Hauptperson. Gehen Sie bei allen Überlegungen von der Frage aus: Was wollen wir für unser Kind?
  • Berücksichtigen Sie bei der Auswahl der Patinnen und Paten deren Beziehungsmöglichkeiten zum Kind. Es ist hilfreich, wenn die Patinnen und Paten nicht in trennungsbedingte Familienzwistigkeiten verstrickt sind.
  • Die Sitzordnung kann die Atmosphäre einer Taufe erheblich beeinflussen. Überlegen Sie daher vorher, wer neben wem sitzen sollte und welche Kombinationen eher zu vermeiden sind.
  • In allen Überlegungen und Planungen bringt der „Mut zur Kürze“ Entlastung für die Beteiligten. Prüfen Sie daher Ihre Möglichkeiten und Kräfte. Ein kurzes Fest in Harmonie ist allemal einer ausgedehnten Feier in angespannter Atmosphäre vorzuziehen.
  • Vielleicht ist Ihre Enttäuschung über den getrennt lebenden Partner/Partnerin, Ihre Wut und Ihr Ärger auch noch zu stark, zu frisch und zu schmerzhaft. Dann ist es besser, wenn Sie sich gegen die Idealvorstellung eines gemeinsamen Festes entscheiden und nach einer anderen Möglichkeit suchen, damit die Taufe für das Kind und für Sie selber zum Fest wird.

    Edith Lauble