Auch alleine alles unter einen Hut gebracht? - Herausforderungen an Alleinerziehende

Alleinerziehende haben drei Anforderungen parallel zu erfüllen: die Haushaltsführung, die Versorgung und Erziehung der Kinder und die Sicherung des Einkommens. Im Gegensatz zu zusammen lebenden Eltern können sie im Alltag die Betreuung und Versorgung der Kinder nicht aufteilen und tragen auch die Erziehungsverantwortung allein.

Wie es Alleinerziehenden (er-)geht – 3 Beispiele

Karin

Karin ist 40 Jahre alt und Mutter eines 1 ½-jährigen Sohnes. Bis zur Geburt ihres Kindes hat sie als Sozialarbeiterin mit voller Stelle gearbeitet und zweimal wöchentlich auch abends Dienst geleistet. Das Kind war ein Wunschkind – doch 2 Wochen vor der Geburt hat der Vater es sich anders überlegt! Nun lebt Karin mit dem 1 ½-jährigen Sohn allein und hat sich entschieden, 3 Jahre Elternzeit in Anspruch zu nehmen, um für ihren Sohn da zu sein. Ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit musste sie aufgeben – sie lebt von ALG II, möchte aber nach Ablauf der Elternzeit wieder in ihrem Beruf tätig sein. Sie hat dem Dienstgeber bereits signalisiert, dass sie – wenn ihr Sohn 3 Jahre alt ist – an den Arbeitsplatz zurückkehren und möglichst an eine Stelle wechseln möchte, an der sie keine Abenddienste leisten muss. Der Dienstvorgesetzte sieht das aber eher als schwierig an. Karin empfindet den Alltag mit einem 1 ½-jährigen Kind als allein erziehende Mutter als sehr stressig. „Immer bin ich für das Kind zuständig, auch wenn ich unter einer Erkältung und Fieber leide, 7 Tage die Woche, rund um die Uhr. Nie habe ich eine Pause!“ Einen Babysitter kann Karin nicht bezahlen und ihre Eltern sind zu alt, sie zu unterstützen. „Alle 2 Wochen kommt mein Bruder für 2 Stunden und spielt mit meinem Sohn – da habe ich dann eine Auszeit!“

60% der allein erziehenden Mütter sind erwerbstätig, 42% von ihnen in Vollzeit. Alleinerziehende Väter sind zu 87% Vollzeiterwerbstätig, was ihnen möglich ist, weil sie häufiger mit nur einem Kind in höherem Alter im Haushalt leben.

Susanne

Susanne ist 45 Jahre alt und seit 2 Jahren geschieden. Ihre älteste Tochter lebt bereits in einer eigenen Wohnung, die 18-jährige Tochter und der 6-jährige Sohn wohnen im Haushalt der Mutter. Susanne arbeitet als Nachtwache im Krankenhaus. Sie kann diese Stelle nur ausüben, weil die 18-jährige Tochter während ihrer Dienstzeit den jüngeren Bruder betreut. Abends um 19:00 Uhr verabschiedet sie sich von ihren Kindern, denn bis zum Arbeitsbeginn um 20:00 Uhr hat sie noch eine Stunde Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln – ein Auto ist bei ihrem Einkommen nicht finanzierbar. Nach der Arbeit frühstückt sie mit den Kindern, schläft ein wenig, erledigt dann den Haushalt und holt um 13:30 Uhr den Jüngsten von der Schule ab. Es ist ihr sehr wichtig, dass sie ihn nach dem Mittagessen bei den Hausaufgaben betreut, denn die Erfahrung mit den beiden ältesten Töchtern hat ihr gezeigt, dass es sich lohnt jetzt Zeit zu investieren, damit die Kinder später schulisch erfolgreich sind.
„Die Nachtarbeit“, sagt sie „ist schon sehr stressig, aber Gott sei Dank bin ich äußerst belastbar und komme mit wenig Schlaf aus. Glücklicherweise sind meine Kinder gesund und die ältere Tochter hilft wirklich viel mit. Lieber würde ich am Tage arbeiten – aber das ist mit der Betreuung eines 6-jährigen Kindes schwer zu vereinbaren und ich hätte kaum noch Zeit für meinen Sohn. Ich habe über 9 Jahre als Chefsekretärin gearbeitet, aber da muss man auch schon mal spontan länger bleiben, für Sitzungen eine Abendeinheit einlegen o. Ä. – das geht doch als Alleinerziehende mit Kindern im Vorschul- und Grundschulalter nicht!“
Trotz ihrer Erwerbstätigkeit ist das Geld sehr knapp. Das Gehalt reicht gerade für Miete und Lebensunterhalt. Für Urlaubsreisen, Kinokarten, Essengehen o. Ä. bleibt kein Spielraum.

Zwei Drittel der Alleinerziehenden finanzieren ihren Lebensunterhalt überwiegend aus eigener Erwerbstätigkeit, ein Drittel sind auf Transferzahlungen (Grundsicherung für Arbeitsuchende/ALG II) angewiesen. Knapp ein Drittel der Alleinerziehenden erhalten ALG II trotz eigener Erwerbstätigkeit, weil das Einkommen für die Existenzsicherung mit Kind/Kindern nicht ausreicht. Nicht oder geringfügig bzw. zeitlich reduziert erwerbstätig sind vorwiegend Alleinerziehende mit kleinen Kindern oder Alleinerziehende, die in ihrem Haushalt mehrere Kinder betreuen.

Andrea

Andrea ist allein erziehende Mutter von 2 Söhnen im Alter von 10 und 12 Jahren. Der jüngere Sohn hatte vom 8. Lebensmonat an epileptische Anfälle und ist zu 70 % schwerbehindert. Aufgrund seines besonderen Förderbedarfs besuchte er zunächst einen heilpädagogischen Kindergarten. Da inzwischen die epileptischen Anfälle selten geworden sind, wurde er von Pflegestufe 2 auf Pflegestufe 1 heruntergruppiert – und entsprechend geringer sind die Zahlungen an die Mutter. Neuerdings besucht er eine Schule für Kinder mit sozial-emotionalen Störungen und die Mutter nimmt mit ihm zahlreiche therapeutische Leistungen in Anspruch (Sprachtherapie, Rehabilitationssport, heilpädagogische Förderung). Allein für beide Kinder verantwortlich zu sein ist sehr anstrengend, denn beide benötigen viel Aufmerksamkeit.
Der Vater der Kinder ist Alkoholiker und übernimmt keine Verantwortung für seine Söhne.
„Am schlimmsten war es für mich im letzten Jahr Ostern“, berichtet Andrea. „Ich hatte eine richtig schwere Grippe mit Stirnhöhlenvereiterung, hohem Fieber usw. Alles wurde so schlimm, dass ich meine beiden Söhne in die Kindernotaufnahme bringen musste. Dort blieben sie für 10 Tage. Nachher habe ich in der Zeitung gelesen, dass mehr als 100 Kinder in den Ostertagen dort weggeschickt wurden, weil die Notaufnahme überbelegt war – ich hätte nicht gewusst, was dann passiert wäre!“ Nach ihrer Erkrankung und der Notaufnahme der Kinder wurde ihr vom Jugendamt eine flexible Erziehungshilfe bewilligt, die ihr in dieser Krisenzeit unterstützend zur Seite stand.

70% der erwerbstätigen Alleinerziehenden haben das Gefühl, dass durch die Aufgabe, die Kinder allein zu erziehen und erwerbstätig zu sein, ein oder mehrere Bereiche des Lebens zu kurz kommen – meistens haben sie insbesondere das Gefühl keine Zeit für sich selbst mehr zu haben, „nie eine Pause“.

Was sich Alleinerziehende wünschen

Im Treffpunkt für Alleinerziehende beim Sozialdienst katholischer Frauen in Wuppertal Barmen haben Alleinerziehende einmal wöchentlich die Gelegenheit zum gemeinsamen Frühstück, während ihre Kinder im Nebenraum betreut werden. Sie können in dieser Zeit miteinander Erfahrungen austauschen, den Rat anderer Alleinerziehender oder professioneller Beraterinnen suchen oder die Zeit für wichtige Erledigungen nutzen. Bei der Frage, was für sie hilfreich wäre, um „Alles unter einen Hut“ zu bekommen, haben sie viele Ideen.

1. Gute und preiswerte Kinderbetreuung

An erster Stelle steht der Wunsch nach einer guten und preiswerten Kinderbetreuung. Vorteilhaft wäre natürlich auch, wenn die Kinderbetreuung nahe des Arbeitsplatzes erfolgen könnte, damit nicht zusätzlich Zeit und Energie in die Bewältigung langer Wegestrecken mit Kleinkind in öffentlichen Verkehrsmitteln aufgewendet werden muss.

2. Zeit für die Kinder

Außerdem wünschen sich die Mütter, dass ihnen neben der Erwerbstätigkeit noch Zeit für die Kinder bleibt. Es ist ihnen wichtig, eine gute Bindung zum Kind aufzubauen und in den ersten Lebensjahren Zeit für das Kind zu haben. Nach der Einschulung wollen sie dem Kind einen guten Ausbildungsstart geben, Fragen beantworten und für Gespräche da sein können.

3. Qualität der Kinderbetreuung

Die Qualität der Kinderbetreuung ist den Alleinerziehenden ebenfalls sehr wichtig. Monika fordert: „Es wäre gut, wenn es Standards gäbe! Ich habe von anderen Alleinerziehenden gehört, deren Kinder die offene Ganztagsschule besuchen und dann haben die Mütter abends die Hausaufgaben der Kinder kontrolliert und festgestellt, dass sie völlig fehlerhaft sind! Wenn das Kind schon in der Ganztagsbetreuung ist, möchte ich mich auch darauf verlassen können, dass es vernünftig bei der Erledigung der Hausaufgaben betreut wird!“
Da das Geld knapp ist, darf die Kinderbetreuung natürlich nicht zu teuer werden.

4. Hilfe ehrenamtlicher Paten

Bildungs- und Betreuungsgutscheine würden die Alleinerziehenden gerne in Anspruch nehmen. Auch die Hilfe ehrenamtlicher Paten wäre für sie eine große Entlastung.
Doch Karin berichtet: „Ich habe viele Flyer gefunden, in denen ehrenamtliche Unterstützung bei der Kinderbetreuung angeboten wird oder über das Modell Familienpaten informiert wird. Überall habe ich angerufen – aber es werden Paten gesucht, vermittelt werden konnte mir nie jemand!“

5. Finanzielle Entlastung

Auch die finanzielle Situation ist sehr belastend. Mit dem Einkommen aus ihrer Erwerbsarbeit liegen viele Alleinerziehende knapp oberhalb der Berechtigungsgrenzen für Wohngeld o. Ä. – und dennoch reicht es nicht für ein eigenes Auto oder Nachhilfeunterricht für die Kinder. Die steuerliche Benachteiligung ist überhaupt nicht nachvollziehbar, die aktuellen Kürzungen (für Eltern) im ALG II‑Bezug schon gar nicht (Anrechnung von Elterngeld auf ALG II und Rentenkürzungen).
Eine deutliche Anhebung des Kindergeldes wäre deshalb sicher entlastend.

„Alles unter einen Hut“ zu bekommen ist für Alleinerziehende noch schwieriger als für Familien, in denen sich die Eltern die Aufgaben und die Verantwortung teilen können – um so bewundernswerter ist es, wie viele Mütter und Väter den Alltag mit Kind/Kindern gut meistern!

Petra Winkelmann