Scheidung von der Oma
Wenn Eltern sich trennen, gehen oft auch die Beziehungen ihrer Kinder zu den Großeltern in die Brüche. Lasst es nicht so weit kommen, bittet Carola Tischler.
Manchmal habe ich Angst, mein Enkelkind zu verlieren. Obwohl es eigentlich keinen Grund dafür gibt. Oder genauer: keinen aktuellen Grund. Die Angst, die mich heute verfolgt, entspringt meinen Erfahrungen vor mehr als 20 Jahren.
Die Angst nach 20 Jahren
Damals hatte ich mich vom Vater meines Kindes getrennt und war mit Klaus, sechs Jahre alt, in eine 500 Kilometer entfernte Stadt gezogen. Anfangs hielt ich zu meinen Schwiegereltern – das heißt konkret: zu meiner Schwiegermutter – noch regelmäßig telefonischen Kontakt; sie hatte meine Entscheidung ohne viele Worte akzeptiert und freute sich, dass ich sie über unser neues Leben auf dem Laufenden hielt. Und sie legte sogar Wert darauf, Klaus und mich monatlich mit einer kleinen Summe zu unterstützen.
Nach einem Jahr kehrte ich mit Klaus in unsere Heimatstadt zurück, und wir besuchten meine Ex-Schwiegereltern wieder regelmäßig. Mir lag daran, dass Klaus seine Großeltern sehen und erleben konnte, denn nach der Trennung fragte er häufiger nach ihnen. Und Klaus’ Vater nutzte „seine“ Wochenenden mit unserem Sohn nur selten, um die Großeltern zu besuchen. Allerdings waren die Besuche nicht immer einfach für uns.
„Dir geht’s ja nur ums Geld“
Anders als meine eigenen Eltern, die Klaus und sein Spielbedürfnis in den Mittelpunkt unserer Besuche stellten, mussten meine Schwiegereltern von mir unterhalten werden. Mit der Folge, dass Klaus sich langweilte und spätestens nach einer Stunde unruhig wurde. Dazu kam, dass die Beziehung zwischen meinem Mann und mir auch nach einem Jahr immer noch von großen Spannungen geprägt war; unter anderem musste ich mir anhören, ich ginge ja nur zu seinen Eltern, weil sie mir Geld gäben. Das hatte mich damals so getroffen, dass ich ihm sagte, er solle doch künftig selbst seine Eltern mit Klaus besuchen; ich würde diese Aufgabe nicht mehr übernehmen.
Von heute auf morgen stellte ich meine Besuche ein. Und da ich immer den aktiven Part hatte, versandete unsere Beziehung; denn umgekehrt meldete sich meine Schwiegermutter auch nicht mehr bei mir. Auch die Beziehung zwischen Klaus und Oma und Opa väterlicherseits schlief im Laufe der Jahre immer mehr ein.
Was ich heute besonders bedaure: Ich unternahm keinen Versuch, mit meiner Schwiegermutter zu sprechen und ihr mein Verhalten verständlich zu machen. Erst sehr viel später raffte ich mich dazu auf, ihr einen erklärenden Brief zu schreiben. Inzwischen bin ich selbst Schwiegermutter und werde bald Oma. Ich habe eine liebenswerte Schwiegertochter; wir haben eine eigenständige Beziehung und treffen uns manchmal auch ohne unsere Männer. Es gibt also überhaupt keinen Grund für düstere Gedanken. Doch meine Geschichte und mein Wissen um Trennungsdynamiken sorgen dafür, dass ich in meiner Fantasie gelegentlich die Trennung des jungen Paares und damit auch die Angst um einen möglichen Verlust des Enkelkindes durchlebe. Wenn ich mich nach einer solchen Fantasiereise wieder auf festem Boden befinde, kehrt jedoch das Vertrauen zurück, dass gewachsene Beziehungen nicht abrupt enden müssen – wenn beide Seiten es nur wollen.
Allen, die mich nach meinen „einschlägigen“ Erfahrungen fragen, rate ich dringend, in solchen Situationen den ersten und, falls nötig, auch den zweiten Schritt zu wagen. Auch dann, wenn sie zuerst nicht mit offenen Armen empfangen werden.
Carola Tischler