Getrennt, aber Eltern
Als Eltern weiter zum Wohl der Kinder zusammenarbeiten, auch wenn die Beziehung als Paar gescheitert ist? Theoretisch ist die Forderung unverzichtbar, praktisch für die Ex-Partner aber oft eine Zumutung. Der Kurs „Kinder im Blick“ (KiB) hilft dabei.
Wenn Paare auseinander gehen, dann droht bei jeder weiteren Begegnung mit dem (früher einmal) geliebten Menschen ein Rückfall ins Chaos der Gefühle. Enttäuschung, Empörung und / oder Selbstzweifel, die das Verlassen oder Verlassenwerden ausgelöst hat, werden wieder wach, dazu kommen Sorgen, Angst- und Schuldgefühle, den eigenen Kindern Leid zugefügt und Sicherheiten genommen zu haben. Abstand könnte helfen, das Verlorene zu betrauern, Verletzungen heilen zu lassen und einen versöhnten Blick auf das Vergangene zu entwickeln. Doch Mütter und Väter, die ihre Erziehungsaufgaben ernst nehmen, sind gezwungen, in Kontakt zu bleiben; sie müssen Absprachen treffen, vielleicht sogar Termine gemeinsam wahrnehmen.
Die alltagsfähigen Fertigkeiten, die sie dazu brauchen, will KiB stärken.
„Im Mittelpunkt steht nicht die Auseinandersetzung mit den Verletzungen, sondern die Möglichkeit zu erproben, wie die Betroffenen aus der Achterbahn des Reiz-Reaktions-Schemas entkommen können, in das verbreitete, aber nicht hilfreiche Kommunikationsformen sie verstricken“, erklärt KiB-Trainer Dr. Andreas Heek, Referent für Ehe- und Beziehungspastoral im Erzbistum Köln.
Die Leitlinie dabei bilden, wie der Kurs-Name es verspricht, die Bedürfnisse der Kinder. „Vätern und Müttern fällt es bei und nach einer Trennung oft nicht leicht, das Verständnis, die Zeit und die Zuwendung aufzubringen, die ihre Kinder gerade jetzt benötigen, um sich neu zu orientieren“, weiß Gertrud Ganser, KiB-Trainerin und Referentin für Alleinerziehendenpastoral im Erzbistum Köln. „Finanzielle Probleme, Konflikte mit dem oder der Ex und anderer Alltagsstress fordern Zeit, Kraft und Nerven.“
Der Kurs rückt dagegen Fragen ins Blickfeld wie:
» Was ist für meine Kinder in der gegenwärtigen Situation wichtig?
» Wie kann ich auch bei hohem Stresspegel eine gute Beziehung
zu meinem Kind pflegen?
» Wie trage ich dazu bei, dass mein Kind sich unbeschwert entwickelt?
» Wie können wir als Eltern besser miteinander umgehen?
» Und wie kann ich dabei auch noch für mich selbst sorgen?
Der besonderen seelischen Belastung der getrennten Eltern trägt auch der ungewöhnliche Aufbau des Kurses Rechnung:
» Die Eltern-Paare nehmen getrennt an parallelen Gruppen teil.
» KiB umfasst sechs Sitzungen à drei Stunden.
» Jede Gruppe wird von einer Trainerin und einem Trainer geleitet.
» Zu jeder Gruppe gehören maximal zwölf TeilnehmerInnen.
Die TeilnehmerInnen begegnen in den Gruppen also nicht dem eigenen Ex-Partner, wohl aber anderen Frauen und Männern, und „lernen“ dasselbe Programm. Gertrud Ganser: „Das bietet ihnen die Chance, einerseits Solidarität in der eigenen Mütter- oder Väter-Rolle zu erleben, andererseits aber auch die Perspektive des andersgeschlechtlichen Elternteils besser kennen zu lernen.“
Auch wenn die TrainerInnen in den Gruppen weniger personen- als themenorientiert arbeiten, bricht sich der hohe Leidensdruck der TeilnehmerInnen (Gerichtsverfahren, unfreundliche Briefe vom Anwalt des anderen Elternteils, erfolglose Mediationen …) immer wieder Bahn. „Manche sind kaum zu bremsen und erzählen gleich am ersten Abend in einer unglaublichen Offenheit ihre ganze Trennungsgeschichte“, berichtet Gertrud Ganser.
Umso bewundernswerter erscheinen den TrainerInnen die Bemühungen der Mütter und Väter, über ihren Schatten zu springen und sich auf die harten Nüsse einzulassen, die ihnen manche Inputs, Übungen und Rollenspiele im Kurs aufgeben.
„Unser Mantra: Nur ich selbst kann hier und jetzt etwas verändern. Wenn ich nur darauf beharre, dass die / der andere dysfunktional kommuniziert, tut sich gar nichts – das ist für die betroffenen Frauen und Männer schon eine enorme Herausforderung“, räumt Andreas Heek ein.
Kinder im Blick
wurde entwickelt in Zusammenarbeit von Familien-Notruf München und dem Team um Prof. Dr. Sabine Walper an der LMU München.
Infos u. a. zu Anbietern und zur Ausbildung der TrainerInnen gibt’s im Internet: www.kinderimblick.de